Die Sonnenbrille: Vom medizinischen Augenschutz zum Kultobjekt
Alle tragen sie, die Stars lieben sie. Diven wie Lady Gaga, Karl Lagerfeld oder Elton John sind ohne sogar kaum mehr vorstellbar, und selbst der Papst hat eine: die Sonnenbrille. Als Objekt des 20. Jahrhunderts hat sie es mittlerweile an die Spitze aller modischen Accessoires geschafft. Dabei begann ihre Entwicklung alles andere als glänzend.
Ob als Blendschutz, Maskerade, It-Piece, modisches Accessoire oder Berufsbekleidung: Die Sonnenbrille ist Kult. Manche Modelle sind dabei sogar so berühmt wie manch eine Filmlegende, wie zum Beispiel Wayfarer in „Breakfast at Tiffany’s“ und bei den „Blues Brothers“ oder die italienische Persol bei „James Bond“. Der Blendschutz gehört zu den Klassikern der Leinwand und ist mittlerweile zum modischen Statement für jedermann avanciert. Dem war jedoch nicht immer so. Lange Zeit galten Sonnenbrillen als medizinische Prothesen, die mit Sehschwächen, Fehlsichtigkeit oder krankhafter Lichtempfindlichkeit in Verbindung gebracht wurden.
Die Sonnenbrillen-Ära beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts
Den Beginn der wirklichen Sonnenbrillen-Ära datiert die Historikern Karin Hartewig auf Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Notwendigkeit des Schutzes vor grellen Sonnenstrahlen erkannte jedoch schon Kaiser Nero, der die Gladiatorenkämpfe exklusiv durch einen übergroßen grünen Smaragd verfolgt haben soll. Auch die Eskimos waren genervt vom ewigen Blinzeln und schnitten sich Sehschlitze in Seehundrippen, durch welche sie die Polarwelt betrachteten. Wirklich relevant wurden Sonnenbrillen aber erst mit dem Beginn der Mobilität, als Automobilisten und Holzklassentouristen der Eisenbahn Schutz vor Sonne, Staub, Rauch und Fahrtwind benötigten. Einen ersten Boom durften die damaligen „Schutzbrillen“ schließlich erleben, als Körperkult, Sonnenbaden und Sport unter freiem Himmel immer größere Beliebtheit erfuhren. Auch berühmte Kunstflieger und Luftakrobaten trugen zum Prestige des Sichtschutzes bei. Prominente Helden der Lüfte wie der Freiherr von Richthofen – aufgrund seines roten Bartes gerne als Roter Baron betitelt – werden heute noch mit den damaligen Fliegerschutzbrillen in Verbindung gebracht.
Die Entwicklung der Sonnenbrille ging in vielen Ländern gleichzeitig von statten. Dabei war das Accessoire von Beginn an sowohl das Produkt qualitativ hochwertiger Optiker als auch billige Massenware. In Deutschland stehen Namen wie Busch, Emil und Nietsche, Zeiss und Rodenstock für die hohe Kunst der ersten Optiker. Letztere war es auch, der 1905 die ersten Gläser entwickelte, die tatsächlich vor den ultravioletten Strahlen schützten. Schutz hin oder her, das modische Design, das wir heute mit unserem geliebten Sonnenbrille verbinden, ließ zur damaligen Zeit noch zu wünschen übrig. Nach Hartewig gab taucherbrillenähnliche Staubbrillen in Lederfassung mit Gummischnüren, Lacklederfassungen mit Drahtkörben, Plangläsern und breitem Rand sowie Brillen mit Masken aus Seide, Stoff und Wildleder.
Die Amerikaner machen die Sonnenbrille nach 1945 salonfähig
Erst nach 1945 wurde die Sonnenbrille der reinen Nützlichkeit enthoben und entwickelte sich endgültig zum modischen Beiwerk. Mit Ende des zweiten Weltkrieges sorgten vor allem die Amerikaner für die Salonfähigkeit der Sonnenbrille und ihren Status als kleinen Vorboten des Wirtschaftswunders. Insbesondere die „Aviator“ – mittlerweile wohl das weltweit erfolgreichste Sonnenbrillenmodell – wurde zum Prototypen des „American way of life“ und stand als Sinnbild für Freiheit, Unabhängigkeit und die Coolness der Amerikaner. Mit ihrer berühmten ergonomischen Tropfenform war sie zunächst für die Fliegereinheiten der US-Army entworfen worden und sollte ihnen einen leichten Blick auf das Armaturenbrett ermöglichen. Das zeitlose Design der Pilotenbrille hat sich bis heute als Ur-Modell aller Sonnenbrillen auf den höchsten Rängen der Beliebtheitsskala gehalten. Als voll verspiegelte „Cop-Shades“ ist das berühmte Stück vom lässigen, amerikanischen Police-Officer gar nicht mehr wegzudenken.
Zweiter Star der Sonnenbrillen-Liga ist die berühmte Wayfarer, die den haifischförmige Cadillac-Kotflügeln ähnelt. Auch heute ist die Kunststofffassung wieder absolut en vogue – man sieht sie in allen möglichen Farben und Mustern. Jugend-Idol und Frauenschwarm James Dean höchstpersönlich hatte sie in den 50ern zum Kultobjekt erhoben. Den ultimativen Durchbruch erreichte sie mit John Belushi und Dan Aykroyd, die im weltberühmten Film „Blues Brothers“ selbst im Dunkeln mit den Sun-Shades Coolness und Lässigkeit versprühten. Audrey Hepburn machte das Modell zum kleinen Schwarzen und Perlenkette auch für Frauen zum sexy Blickfang.
Ob als exklusives Designerstück oder Produkt der Massenware, die Sonnenbrille ist zum Kultobjekt der modernen Kultur aufgestiegen. Abhängig von Modetrends, gesellschaftlichen Hintergründen und nationalen Eigenheiten spiegeln sich in ihrem Design unterschiedliche Emotionen und Wertvorstellungen wider. Vom italienischen Agenten-Stil der Persol über exquisite Couture à la Chanel, Dior und Co. bis hin zum psychedelischen Stil der kreisrunden, untertassengroßen Tea-Shades, die im wilden Leben von Rockstars wie Mick Jagger und Ozzy Osbourne den einen oder anderen exzessiven Drogenkonsum kaschierten.
Sonnenbrillen ein unverzichtbares Accessoire für Stars
Für Stars sind Sonnenbrillen mittlerweile unverzichtbar geworden, ob als It-Piece fürs VIP-Feeling, für souveräne Auftritte, als Ausdruck von cooler Gelassenheit, vor allem aber aus Imagegründen. Denn was wären Elton John, U2-Frontsänger Bono, Monsieur Lagerfeld, Udo Lindenberg, Jazz-Legende Miles Davis, Paris Hilton, Heino oder Jack Nicholson ohne Sonnenbrille? Letzterer sagt von sich selbst, ohne Brille „einfach nur ein fetter Siebzieger“ zu sein. Auch als Accessoire männlicher Action-Heroes ist die Sonnenbrille unentbehrlich geworden. Das gilt für die Helden der guten Seite genauso wie für die Ganoven, Mafiosi und Fieslinge: Peter Fonda greift in Easy Rider zur Olympian II Deluxe Version der Aviator, Steve McQueen, Pierce Brosnan und Daniel Craig zur italienischen Persol, Garfield zur Wayfarer, Will Smith und Tommy Lee Jones zur Ray-Ban Predator. Sonnenbrillen sind DAS Accessoire schlechthin und gelten als schick, und das nicht nur im Sommer.
In der Politik wirken Sonnenbrillen unseriös
Weniger angebracht sind sie hingegen bei den Damen und Herren des politischen Geschäfts. Zwar trug Joschka Fischer im Juni 1983 zur Belustigung seiner Fraktionskollegen eine Sonnenbrille auf dem Weg zum Rednerpult des Bundestages. Normalerweise gelten sie unter Demokraten jedoch als höchst unseriös. Schließlich sollten Staatsmänner und Personen des öffentlichen Lebens im Gegensatz zu Sonnenbrillenliebhabern wie Franco, Kim Yong Il, Pinochet, al Gadaffi und Robert Mugabe nichts zu verbergen haben. Ein Pokerface hier nun mal nicht angebracht.
Für einen tieferen Einblick in die kulturelle Entwicklung der Sonnenbrille: Die Historikern Karin Hartewig entfaltet in ihrem Buch „Der verhüllte Blick – Kleine Kulturgeschichte der Sonnenbrille“ Mit Witz und fundierten Hintergründen die Geschichte des kultigen Utensils. Ein Blick lohnt sich!
Der Autor
Diesen Gastbeitrag haben die Brillen-Experten von MisterSpex verfasst. Die Brillen-Kenner bringen uns in ihren Gastartikeln die Welt der Brillen näher.
Der Beitrag von euch ist ja bereits aus dem Jahr 2010 aber weiß jemand ob ich diese abgebildete Sonnenbrille wo bekomme (für meinen Mann) ? Danke
Sehr guter Artikel ,
mich würde interessieren welche Sonnenbrille der Man auf dem zweiten bild trägt.
danke schon mal im Vorraus für eine Antwort.
Auf alle Fälle ein schöner Artikel, informativ und flott geschrieben.
Was die Bildchen angeht, muss man nur auf den Mister Spex Link klicken.
Da sind dann genug Bildchen von Sonnenbrillen. ;-)
LG
Anna
Kann meinem Vorredner nur zustimmen: Ein paar Bilder wären schön gewesen. Unabhängig von der historischen Genauigkeit finde ich die Fliegerbrillen aber gerade bei Promis, Künstlern, auf Konzerten oder auch während einer Tour immer wieder klasse!
„Prominente Helden der Lüfte wie der Freiherr von Richthofen – aufgrund seines roten Bartes gerne als Roter Baron betitelt – werden heute noch mit den damaligen Fliegerschutzbrillen in Verbindung gebracht.“
Haha, ich lach mich schlapp! Wenn ihr schon einen historischen Abriss bringt, dann recherchiert doch bitte ordentlich. Manfred von Richthofen hatte sicher keinen roten Bart.
Aber ansonsten sehr lesenswerter Beitrag. Hätte mir allerdings noch ein paar mehr Bilder gewünscht.