Cigarrengenuss im Sommer oder The times… they are A – changing…
Nach dem Essen gehen die zum Digestif in die Bibliothek, das Herrenzimmer, die Kaminlounge oder in den Snooker´s Room. Refugien für Männer mit Cognacschwenkern und dicken Cigarren. Die Damen bleiben mit einem Sherry zurück und unterhalten sich über die Society, die Männer politisieren und machen Geschäfte, über der Situation hängt schwerer blauer Dunst.
Moderne Zeiten
Wenn man an klassische Cigarrenmomente wie diese denkt, spielen darin eben schwere Ledersessel, gedämpftes Licht und ein Kamin oder ein Billardtisch tragende Rollen. Dazu gibt es Whisky, Brandy und Cognac… wenn man nicht gerade Krieg mit Frankreich führt. Analog zu den privaten Rückzugsgebieten für Aficionados wurde in Restaurants und Hotels geraucht. An und für sich wurde überall geraucht, auch in Zügen, Behörden und Krankenhäusern. Diese Zeiten sind vorbei und niemand mit vernünftigem Menschenverstand wird diesen Nichtraucherschutz kritisieren, denn natürlich darf niemand, ob Kind, ob Schwangere oder eben einfach nur ein Mitmensch, der nicht passiv mitrauchen möchte, gezwungen werden Rauch einzuatmen.
Das langsame Sterben der Raucherräume
Und doch ist es zu bedauern, dass heute fast alle Hotels und Restaurants Ihre Raucherräume für Genießer des reinen Tabakdunstes geschlossen haben, denn dort hineinbegibt sich nur der, der wirklich rauchen möchte. Selbst Grandhotels in allen deutschen Großstädten von Hamburg bis München verzichten heute auf ihre Rauchsalons. Ein paar Ausnahmen seien genannt: Hilton im Park, München (People´s Bar, Mitgliedschaft im geschlossenen Club), Interconti Berlin (Library), Königstein Grand im Taunus (Raffaels Bar) und die Cigar Lounge im Breidenbacher Hof ( Capella Bar).
Cigarre rauchen kein schneller Spaß
Wer aber gerade nicht in diesen Häusern residiert, ist arm dran, und geht zum Rauchen nach draußen. Cigarrettenraucher schwärmen inzwischen von der geselligen Kennenlernathmosphäre vor den Türen der Clubs und Restaurants, vom smirting (Wortneuschöpfung aus smoking und flirting war die Rede. So kann man sich das Fünfminutenintermezzo mit hochgezogenem Kragen und kalten Füßen auch schönreden. Auf jeden Fall ist, was für Cigarrettenraucher noch erträglich, für den Cigarrengenießer nicht möglich: schneller Spaß im Stehen.
Der Sommer als letzte Bastion der Raucher
Die kalte Jahreszeit wird für Genussraucher somit zur Durchhaltezeit, wer zu Hause seinem Laster frönen kann ist gut dran, und kann sich Gleichgesinnte einladen, damit der Blaue Dunst geselliger wird. Wer in Clubs sozialisiert ist, hat seine Clubabende und ein organisiertes Eventumfeld und wessen Cigarrenhändler ein Nebenzimmer oder sogar eine angeschlossene Lounge hat, kann den regelmäßigen Cigarreneinkauf gleich mit einer entflammten Pretiose begehen. Der Rest hält eben durch, bis die warme Jahrenzeit kommt. Denn wenn es draußen wieder gemütlich wird, und die lauen Sommernächte kommen, darf wieder geraucht werden, im Loungemöbel im In-Café, auf der Terrasse des Lieblingsitalieners und auf den Balkonen der Urlaubsresidenzen und Ferienclubs. Händler und Betreiber von cigarrenfreundlichen Locations sprechen von einem Umsatzwandel innerhalb weniger Jahre, waren Oktober bis März früher die satten Monate für den Tabakumsatz sind heute die hellen Monate April bis August die starke Zeit. Warum auch nicht, warum sollten Cigarren nicht in diese hellen Momente, die lauen Nächte und die wirklich warmen Nachmittage passen?
Draußen Rauchen hat Tradition
Erstens werden Cigarren in Ihren Herkunftsländern auch vorrangig draußen und im natürlich warmen Ambiente genossen und zweitens passen ja nicht nur winterliche Getränke zu unseren liebsten Pretiosen. Wenn in wirklich später Sommernacht ein Whisky oder ein Brandy ebenso gut zum feinen Tabakrauch passt wie in der Silvesternacht, so lassen sich die frühabendlichen Momente eher mit leichten knackigen Getränken und Cigarren kombinieren. Leichter Riesling, am besten mit dem Prädikat feinherb – dem momentanen Zauberwort für finessereichen Rieslinggenuss zur Cigarre – schmiegt sich an fast alle Cigarrensorten von feinwürzig bis kräftig an. Cremiger Weißburgunder und Grauburgunder begleitet helle Dominikanerinnen und Honduranerinner ganz trefflich und Bukettrebsorten wie Scheurebe, Bacchus, Müller-Thurgau bis zum Sauvignon Blanc können mit duftiger Nase und wenig Säure bis hin zur erdigen Cubanerin ein wahrer Hochgenuss sein. Leichte Rotweine und helle Cigarren läuten den Abend ein und kalte Biere wie Pilsner oder India Pale Ale erfrischen den Gaumen nach dem Genuss kräftiger Cigarren aus Cuba oder Nicaragua. Dunklere und süßere Biere passen gut zu süffigen Brasilstumpen oder moderneren Maduro Cigarren und last but not least birgt das Kapitel Sommercocktails von Mojito und Caipirinha bis zu Mai Tai und Long Island Iced Tea eine fast nicht überschaubare Anzahl von Möglichkeiten eine gute Cigarre zu begleiten.
Hier meine TOP 5 für Cigarrengenuss in diesem Sommer:
- Ein Glas Champagner Billecart-Salmon und eine Flor de Selva Siesta auf der Terrasse der Villa Rothschild in Königstein/Taunus.
- Einen eiskalten Roséwein mit Minzblättchen und eine Romeo y Julieta Mille Fleurs im Café am Neuen See in Berlin
- Einen Eiskaffee und eine Davidoff Millennium Blend Short Robusto im Innenhof des Hotel Atlantik in Hamburg
- Ein Glaser´l grüner Veltliner mit einer Fonseca No.1 im Garten des Schweizerhof´s im Prater in Wien
- Ein kaltes Palma Cristal und eine Oliva V Lancero im Innenhof des Cigarrenmagazins Unter den Linden in den Kaiserhöfen in Berlin.
Natürlich gibt es 1000 weitere schöne Plätze, um sich eine gute Cigarre anzustecken. Finden Sie Ihren Lieblingsplatz. Und bitte… wenn Sie jemand unter freiem Himmel auffordert, Ihre Cigarre auszumachen, lächeln Sie ihn an und reagieren Sie nicht, der freie Himmel scheint bald unser letztes Refugium zu sein!
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Über den Autor
Matthias Martens ist der bekannteste deutschsprachige Cigarrensommelier. Neben den Verkostungen, die er für die Cigarrenmagazine „Cigar Clan“ und “CIGAR” schreibt, war das Buch „Cigarre & Co“ mit Dieter Wirtz seine wichtigste Veröffentlichung. Er kümmert sich um die Veranstaltungen des “Cigarrenmagazins Unter den Linden” in Berlin, an dem er beteiligt ist. Im Gentleman-Blog schreibt er u .a. über anregende Gedanken um den blauen Dunst und Neuigkeiten auf dem Cigarrenmark. Nicht nur für Raucher, sondern für alle Geniesser(innen) geeignet!
Schön wäre es, wenn Sie Recht hätten, Fabian. Aber leider wird man auch vermehrt von Mitmenschen angesprochen, die zum Beispiel nach einem im Café oder Freiplatz im Restaurant Platz genommen haben.
Der Wahnsinn, immer sterilere Umgebungen zu fordern muss ein Ende haben.
Nichtraucherschutz nicht hysterische Regulative sind gefragt. Gentlemen sind flexibel und rücksichtsvoll, aber nicht devot.
Besten Dank für den Einwurf, ich hätte den letzten Satz vielleicht genauer ausführen sollen.
sorry, aber das passt nun wirklich nicht zu einem Gentlemen. Gerade das zuvorkommende, nicht-belästigende ist eine Wesenseigenschaft, die so gar nicht mit dem letzten Satz in Deckungsgleichheit zu bekommen ist. Sorry, aber wenn man angesprochen wird, dann hat der Gentlemen bereits einen Fehler gemacht.
Nice to read…vor allem der letzte Satz! Werd mir heut mal wieder eine schöne Cubanerin anzünden, im Biergarten…