Der Probeschluck oder Der lange Weg zum Weinkenner
Ein sehr gut befreundeter Sommelier, gibt auf die regelmäßige Frage, wie man denn am schnellsten etwas über Wein lernen könnte, oft die recht direkte Auskunft „Trinken!“. Damit meint er nicht mehr und nicht weniger, dass Weinwissen immer sehr eng mit praktischer Erfahrung und natürlich der Speicherung dieser erlernten Eindrücke verbunden ist. Oder anders ausgedrückt: Der Weg zum Weinkenner ist ein durchaus langer, aber es ist eine wirklich schöne Zeit. Das meiste Wissen über Wein habe ich mir allerdings angelesen, nachts wenn ich aus den diversen Restaurants in denen ich gearbeitet habe nach Hause kam. Ich hatte immer zwei oder drei Weinlexika auf dem Nachttisch und habe nachgelesen was wir am selben Abend alles serviert hatten, habe die mir schon bekannten Informationen verglichen und neue aufgesaugt, die meiner Vorgesetzten mit den aus den Büchern verglichen und ab und zu sogar in verschiedenen Lehrbüchern verschiedene Auskünfte bekommen. Viel mehr erfahren habe ich aber immer in den Stunden zuvor, in den Situationen am Tisch, wenn die Weine empfohlen wurden, beim Gang in den Weinkeller wo die Flaschen aus immensen Lagerbeständen nach verschiedenen Systemen gesucht und gefunden wurden und dann natürlich beim Öffnen und beim verkosten der Flaschen, beim Lehrmeister der Sommeliers und Weinkellner: beim Probeschluck.
Langer aber schöner Weg zum Weinkenner
Der Cartoon ist weltbekannt: Ein feister Gast sitzt alleine im Restaurant und beobachtet finster den Sommelier, der die gewählte Flasche präsentiert und öffnet. Als er einen Schluck ins Probierglas füllt, dieses schwenkt, daran schnuppert und den Probeschluck nimmt, springt der Gourmond mit hochrotem Kopf auf und brüllt „Schmeckt Ihnen mein Wein?!“ Diese Situation hab ich nie erleben müssen, natürlich weiß der Gast, dass er vom Weinexperten ihres Vertrauens vor übelriechenden, korkigen, oxidierten oder andersartig fehlerhaften Negativeindrücken beschützt werden soll.
So selten diese wirklich fehlerhaften Weine auch sind, im Rahmen eines feinen Dinners sind sie doch fehl am Platz. Viele Gäste genießen auch, nicht selbst in der Verantwortung zu stehen und erkennen zu müssen, ob der Wein in der Tat in Ordnung ist oder nicht. Was die meisten Restaurantgäste aber nicht wissen, ist, welche Investition in die Zukunft sie durch die freiwillige Abgabe eines winzigen Schlückchens aus Ihrer Flasche sie tätigen. Stehen doch hinter jedem Sommelier die Stellvertreter, Stationskellner und Auszubildenden Schlange, um einen olfaktorischen oder gustatorischen Eindruck eines 1969er Dom Perignons, eines 1988er Richebourg oder eines 1961er Chateau Latour zu erhaschen und die Eindrücke zu ihrer ganz persönlichen Sammlung hinzuzufügen. Nicht nur diese Jahrhundertweine, sondern auch alle anderen Weine, die so verkostet werden, sind die Objekte der gelebten Produktschulung, die Tag für Tag und Nacht für Nacht in vielen guten Restaurants dieser Welt ablaufen. Unnötig zu sagen, dass ich immer ein gutes Verhältnis zu meinen vorgesetzten Sommeliers hatte.
Der Weg ist das Ziel – Weinproben eine gute Schulung
Wer sich, abseits einer langen Ausbildung, regelmäßigen Nachtschichten unzähligen Überstunden und sonstigen Unbillen des sonst so schönen Kellnerberufs durch regelmäßiges Verkosten guter Weine und aufsaugen der dazugehörenden Sekundärliteratur selbst zum Weinkenner machen möchte sollte regelmäßig Weinproben besuchen oder in der vinophilen Gastronomie nach moderierten Weinmenüs fragen. Auch die Möglichkeit privat kleine Bring-a-Bottle-Parties auszurichten, bei denen jeder eingeladene eine Flasche seiner Wahl mitbringt und diesen Wein kurz vorstellt. Hier sind Phantasie und Elan keine Grenzen gesetzt. Eine regelmäßige Kleinstbelieferung in Form eines Weinabos ist der dritte und sicher lehrreichste Weg, sich vinophil weiterzubilden und den langen aber schönen Weg zum Weinkenner einzuschlagen. Das allerschönste an diesem Weg ist ja die Tatsache, dass hier definitiv der schöne Weg auch gleichzeitig schon das Ziel ist.
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Der Autor
Gastbeitrag von Matthias Martens. Im Gentleman-Blog schreibt der Weinliebhaber und Inhaber des Berliner Weinladens Planet Wein regelmäßig über die vielfältige und geschmackvolle Welt der Weine.
Dieser Artikel spricht mir als angehendem Sommelier aus der Seele. Die Betonung der praktischen Erfahrung und des Probeschlucks als wichtige Aspekte des Weinlernens ist absolut korrekt. Ich habe auch festgestellt, dass die praktische Verkostung von Weinen am Tisch und im Weinkeller eine unschätzbare Quelle für Wissen ist. Es ist ermutigend zu wissen, dass unsere Bemühungen, Weine zu erkunden und zu probieren, nicht nur unseren eigenen Horizont erweitern, sondern auch zur Schulung der nächsten Generation von Weinliebhabern und Fachleuten beitragen. Auf dieser Seite habe ich auch noch mehr darüber gelesen https://regionalroyal.de/
Oh ja, Es gibt kaum ein schöneres Training als das auf dem Weg zum Wein-Kenner. Und eine Weinprobe ist dabei so etwas wie ein Intensiv-Trainingslager ;-)
Schöner Artikel! Und nicht vergessen, dass es bei der ganzen Weintrinkerei hauptsächlich (zumindest auch…;-) um Spaß geht. Der sollte auf keinen Fall verloren gehen. Man muss nicht jede Lage der Saar mit Größe und Besitzern aufsagen können, um einen schönen Saar-Riesling genießen zu können und dabei gute Gespräche mit dem Tischnachbarn zu haben…