Authentizität mit einem kleinen Augenzwinkern – der Stil Winston Churchills
Wer kennt ihn nicht: Sir Winston Leonard Spencer-Churchill (1874-1965), zweimaliger britischer Premierminister, bedeutender Staatsmann sowie Nobelpreisträger für Literatur. Er gilt als Mann von großem Witz und großer Schlagfertigkeit. Das Victory-Symbol, die Handgeste mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger, hat ihn berühmt gemacht. Welche Symbolkraft hinter seinem Stil steckt, erklärt Christiane Scharrer-Sieb, Schmuckexpertin der Halsbandaffaire.
„I’m easily satisfied with the very best.“
Mit diesem bekannten Churchill-Zitat lässt sich der Stil des Staatsmannes treffend zusammenfassen. Er war definitiv ein großer Genießer und kostete das Leben in vollen Zügen aus: Man kennt ihn mit kubanischer Zigarre im Mund, er liebte schottischen Whiskey, französischen Champagner und hervorragendes Essen. Genuss und Wohltat prägten seinen Lebensstil.
Von wegen „No sports!“: In jungen Jahren war Winston Churchill ein begeisterter Sportsmann. Fechten und vor allem Polo praktizierte er passioniert und erfolgreich. Später züchtete er Rennpferde und war bis zu seinem siebzigsten Lebensjahr aktiver Reiter. Als Lebemann liebte er das Reisen und die Nähe zu den glamourösen Gestalten der Filmwelt. So zählte beispielsweise Charlie Chaplin zu seinen Freunden.
Doch ganz besonders schätzte er das Leben auf seinem Landsitz Chartwell in Kent, wo er sich umgeben von seiner Familie und den zahlreichen Tieren seinem Hobby, der Malerei, aber vor allem seiner journalistischen und schriftstellerischen Arbeit widmen konnte. All diese Vorlieben prägten seinen Lebensstil wie auch letztendlich seinen Kleidungsstil. Dabei hatte er seinen ganz eigenen Kopf mit Ideen, die er in seine Garderobe einfließen ließ.
Churchill schätzte höchste Qualität, ob bei Kleidung oder Genussmitteln
Als Staatsmann wusste Churchill, wie wichtig ein unverwechselbares Image ist, ein Stil, den man sofort ihm zuschrieb. Zeit seines Lebens achtete er bei jedem Auftritt, jedem Interview und jeder Begegnung darauf, wie er aussah und wirkte. Sein gewähltes Outfit hatte immer Aussagekraft, unterstrich seine Worte und Gesten.
Seine Kleidung war von ausgezeichneter Qualität, denn er schätzte hochwertige und fein verarbeitete Stoffe und Materialien. Die besten Schneider Londons fertigten seine Garderobe. Sein Stil war markant und makellos. Winston Churchill hatte eine Vorliebe für Militäruniformen, auch für die sogenannten „Siren Suits“ – speziell angefertigte Overalls, die er selbst als legere Variante eines Freizeitanzugs entworfen hatte und in unterschiedlichen Farben und Stoffqualitäten in Auftrag gab.
Auf Fotografien, die ihn als Mann des Parlaments zeigen, trägt er vornehmlich Gehrock zu Hose und Weste. Diese dreiteilige Anzugkombination wird sein Signature-Look. Hierbei dominieren gedeckte Farben, manchmal Nadelstreifen, immer aber sind es Maßanzüge aus hochwertigem Material.
Gentleman von Kopf bis Fuß
Charakteristisch für seinen Kleidungsstil ist der Querbinder, besser bekannt als Fliege. Ein Stoffband, das um den Hemdkragen getragen und vorn mit einer besonderen Schleife geknotet wird. Dazu kombinierte Churchill meist ein Einstecktuch (Kavalierstuch) in der Brusttasche. Zu privaten Anzügen trug er übrigens ausschließlich gepunktete Querbinder. Seinen Stil komplettierte er mit dem „Homburger“, einem hohen Hut aus festem Filz mit hochgebogener und eingefasster Krempe sowie breitem Ripsband.
Eine weitere Besonderheit seines Stils sind die Schuhe. Churchill, der für seine notorische Unpünktlichkeit bekannt war, mochte es nicht, seine Zeit für das Binden seiner Schuhe zu verschwenden. Deshalb trug er vornehmlich Slipper, auch diese waren maßgefertigt, darunter Modelle, die wie Schnürschuhe aussahen. Ganz schön clever!
Der Herr der Fliegen trägt Charms an seiner Uhrenkette
Nun fragt sich der Gentleman, wie hielt es Churchill mit Schmuck und Accessoires? Selbstverständlich trug er stets wertige Manschettenknöpfe aus Edelmetall. Klassische Formen dominierten seine Outfits und unterstrichen das elegant-seriöse Bild, das er als Staatsmann mit seinem Kleidungsstil verkörperte. Vor allem bleiben uns aber zwei Accessoires in besonderer Erinnerung:
Seine „Turnip“, eine Breguet no 765 – diese Taschenuhr trug er bevorzugt statt der modern gewordenen Armbanduhren. Die große goldene Uhr hing stets an einer kräftigen Kette, die mit verschiedenen Anhängern geschmückt war: einem großen V-Emblem für Victory, einem silbernen Miniaturkopf Napoleons, den er sehr verehrte, ein Medaillon-Andenken an die Westminster Abbey by-election von 1924, einen Granat gefasst in einem goldenen Herz, das ihm seine Frau Clementine 1908 zur Hochzeit schenkte sowie ein weiteres goldenes Herz, das er zu seinem 90. Geburtstag von ihr bekam.
Das zweite erinnerungswürdige Accessoire ist ein goldenes Zigarettenetui in Form eines Briefumschlags. 1932 ließ er es für seinen Sohn Randolph zu dessen 21. Geburtstag speziell von Cartier anfertigen. Das Etui illustriert perfekt sein Verständnis von Qualität und Wertigkeit, gepaart mit seinem ganz persönlichen Sinn für Gestaltung. Es ist aus 9 karätigem Gold und trägt die Faksimile-Gravur von Randolphs Adresse sowie eine Nachbildung von Poststempel, Briefmarke und Wachssiegel aus polychromem Emaille.
Sir Winston Churchill, ein imposanter Mann mit schnittigem Stil, der mit dem Besten zufrieden war, sobald er es noch ein wenig nach seiner Fasson optimiert hatte. Das ist die Essenz seines Stils und diese Authentizität macht ihn bis heute zur unverwechselbaren Ikone.
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