10 Wein-Typen, die ein Gentleman getrunken haben muss!
Wein, das unbekannte Wesen!
Oh du wunderbare, vielfältige, verwirrende, komplexe, undurchschaubare und faszinierende Welt des Weines. Wohl denen, die dort den Überblick haben und mit Kennerworten parlieren können. Doch was ist mit jenen, die nicht ihre ganze freie Zeit mit dem Thema ‚Wein‚ verbringen? Die Wein lieben, ihn genießen, ihm einen großen Platz einräumen, aber denen jede akademische Annährung an des Thema ein einziges Gräuel ist? Und gleichwohl auf dem gesellschaftlichen Parkett nichts mehr hassen, als dazustehen, wie ein ahnungsloser Depp?
Der Wein ist das Ziel!
Nun, der sollte die 10 wichtigsten Wein-Typen erlernen, die für 90 Prozent aller relevanten Situationen reichen, in denen es heißt: „Jetzt-muss-ich-Weinwissen-zeigen.“ Das Schöne daran: Weder muss man im Schweiße seines Angesichts den Waschbrettbauch formen, noch sein Gehirn mit unnötigem Besserwisser-Wissen quälen. Man kauft sich einfach eine gute Flasche Wein, trinkt, genießt, merkt sich die wichtigsten Eckdaten und kommt mit jeder Buddel seinem Ziel einen Schluck näher! Eines ist allerdings auch klar: Es geht dabei nicht um die clevere Identifizierung günstiger Discount-Schnäppchen, denn wer es einfach nur billig will, sollte seine Gentleman-Ambitionen in die Tonne schmeißen.
Die glorreichen Zehn!
1. Bordeaux Grands Crus Classés en 1855
Mythos Bordeaux! Um kein zweites Weinanbaugebiet ranken sich so viele Legenden wie um Bordeaux. Dabei sind es vor allem die Grands Crus Classés, die nach wie vor die Weinkenner in der Welt geradezu elektrisieren. Und auch wenn die Preise mittlerweile in astronomische Höhen geschnellt sind, so muss der Gentleman zumindest einmal im Leben einen Château Lafite-Rothschild oder einen Château Margaux getrunken haben. Und für alle, deren Portemonnaie mit Selbstsprengung droht, sollte es für einen Wein dieser Klasse geöffnet werden, gibt es Entwarnung. Ein Cru wie beispielsweise Château La Tour Carnet gibt es schon für weniger als 40 Euro und es ist trotzdem ein echter Grand Cru Classé. Und noch eines: Die Qualifizierung steht fast immer auf dem Etikett!
2. Kleine Rieslinge und große Gewächse
Weinwunderwelt Deutschland! Wie sich die heimische Wein-Szene in den letzten Jahren entwickelt hat, dafür gibt es nur ein Wort: spektakulär! Denn die namhaften Weingüter haben endgültig den Anschluss an die internationale Elite geschafft, aber auch eher unbekannte Namen legten einen kaum für möglich gehaltenen Qualitätssprung hin. Dabei überstahlt das Kronjuwel des deutschen Weinbaus alles: der Riesling! Egal ob er als preiswerter Gutswein oder als luxuriöses großes Gewächs daher kommt, Riesling rules!
Die Anzahl der guten Erzeuger ist groß, die Auswahl hier ist deshalb eine sehr subjektive, doch von den überaus bezahlbaren Newcomern sollte man sich Namen wie beispielsweise Immich-Batterieberg, Lubentiushof oder Emil Bauer merken. Geht es beim Riesling darum zu zeigen wo der Hammer hängt – etwa bei einem Dinner mit internationalen Gästen – greift der Gentleman natürlich zu einem großen Gewächs. Auf die kann man zu Recht stolz sein und schon bei dieser kleinen Kollektion persönlicher Favoriten, ist man garantiert auf der sicheren Seite: Wittmann Kirschspiel, Schäfer-Fröhlich Felseneck oder Reichsgraf von Kesselstatt Josephshöfer… viel mehr Weltklasse-Riesling geht nicht!
3. Rioja clásico versus Rioja moderno
Vorsicht Falle! Die Rioja ist derzeit eine harte Nuss, die selbst für Kenner der Materie kaum zu knacken ist. Denn die Entwicklung in diesem Anbaugebiet hat eine ungeheure Dynamik und bringt höchst unterschiedliche Weintypen hervor. Konzentrieren wir uns deshalb auf die beiden spannendsten Antipoden – die klassische Gran Reserva und den ultramodernen Vino de Autor – und lassen die Wald-und Wiesen-Rioja-Reserva außer Acht. Die Gran Reserva zeichnet sich vor allem durch ihre extrem lange Fasslagerung aus und war schon fast von der Bildfläche verschwunden. Doch Gran Reserva-Klassiker wie Viña Tondonia oder Marqués de Riscal sind von einer herrlich morbiden Eleganz, die aus einer Zeit stammt, als man Frauen noch in den Mantel half. Demgegenüber stehen kraftstrotzende Muskelpakete, die wie ein Caterpillar über den Gaumen fahren: Roda Cirsión, Remírez de Ganuza Trasnocho oder La Nieta sind beispielhaft für diesen Stil und definitiv nichts für Beaujolais-Trinker. Tradition und Moderne verbinden Artadi und Remelluri, beide mit einer ganze Range an guten Weinen.
4. Super-Tuscans
Fällt das Wort Toskana, dann gibt es in Deutschland eine große, große Anzahl von Menschen, die sich eine Sehnsuchtsträne nicht verkneifen können! Dies gilt auch beim Thema toskanischer Wein. Und obwohl die Klassiker wie Brunello di Montalcino und Chianti Classico ihren festen Platz auf den Weinkarten dieser Welt innehaben, sind es doch die Super-Tuscans à la Sassicaia und Fontalloro, um nur die wichtigsten zu nennen, die zu den Königen der Toskana aufgestiegen sind. Die Liste ist natürlich noch viel länger, aber kennt man die hier genannten Weine, mischt man schon richtig gut mit. Absolutes Muss ist der Urvater aller Super-Tuscans, der Tignanello von Antinori.
5. Sauvignon blanc ist in ein Sauvignon blanc ist ein Sauvignon blanc
Gibt es eine Rebsorte, die der weiblichen Welt besonders am Herzen liegt? Oder ist das nur Einbildung? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, doch die Erfahrung lehrt, dass Sauvignon blanc bei vielen Frauen ganz besonders hoch im Kurs steht. Was also liegt für den Gentleman näher, als dieses Thema umgehend in den Griff zu kriegen.
Versuchen wir also eine Phänomenologie der Sauvignon blanc-Typen: Zur Kosmopolitin passt ohne Frage ein Neuseeländer. Die strahlende Ikone dieses Landes ist der Cloudy Bay. Zur Bodenständigen empfiehlt sich ein Südtiroler, wie der Quarz der Cantina Terlan. Bei einer Konservativen greift man natürlich zu den Klassikern der Loire wie Sancerre. Die Künstlerin, allgemein mit großem Fernweh-Cache ausgestattet, holt man am besten mit einem Südafrikaner ab, wie etwa Buitenverwachting. Die Umwelt-Aktivistin mag kurze Wege beim Warentransport, hier punktet man mit Sauvignon blanc aus Rheinhessen, wie etwa vom Weingut Knewitz. Der Studentin sollte man mit einem einfachen Sauvignon blanc aus der spanischen D.O. Rueda Bescheidenheit demonstrieren, während die Geschäftsführerin sich sicher von einem weißen Château Smith Haut Lafitte beeindrucken lässt, der bis zu 90 Prozent aus Sauvignon Blanc besteht. Und wenn die Vorstands-Vorsitzende einen Sauvignon blanc zu trinken wünscht? Wählen Sie den Château Haut Brion Blanc! Der hat zwar nur um die 50 Prozent Sauvignon blanc zu bieten (der Rest ist Sémillon), ist aber ohne Zweifel ein göttlich-guter Wein!
6. Size Matters – Der Blockbuster-Shiraz Australiens
Dicke Muskeln, terminatorische Kraft, höllendunkle Farbe und ein üppiges Bouquet, das an jene Körperteile erinnert, das manche Mitmenschen sich mit Silikon auf blenderische Übergröße aufblähen lassen. So könnte man einen Blockbuster-Shiraz aus Down Under umschreiben. Und das soll ein Wein für den Gentleman sein? Nun, es gab Zeiten, da gehörte zum formvollendeten Mann von Welt auch das Beherrschen von Schusswaffen, das Boxen, Polo und Fechten – denn zu einem Duell, sportlich oder tödlich, kam man in manchen Zeiten schneller als heute zu einem Strafmandat.
In der Öffentlichkeit duellieren tut sich niemand mehr. Heute finden die Zweikämpfe am Verkostungstisch statt. Und wenn man jemanden kennt, dessen oberlehrerhaftes Weingeschwafel einen den letzten Nerv raubt (und meistens beten diese Rebensaft-Akademiker französische Weine an), holt man sich einen Blockbuster-Shiraz wie etwa Ben Glaetzers Amon Ra oder Penfolds RWT. Den gießt man dann in Ruhe und wartet genüsslich darauf, wie die schiere Power dieser Weine staunendes Schweigen auslöst.
7. Nobel geht das Geld zugrunde: Die exklusiven Vintage-Champagner
Achtung Gentlemen, es wird teuer, sauteuer! Doch um einen Vintage-Champagner kommt man nicht herum. Das Schlimme daran: Hier reicht es nicht, dass man mal einen Vintage-Champagner probiert hat. Hier gilt das eherne Gesetz: Einen Vintage Champagner hat man so selbstverständlich im Kühlschrank wie ein klassisch englisches After Shave im Bad. Und das schlägt ordentlich ins Konto, denn Champagner wie beispielsweise Moët & Chandon Dom Pérignon oder Champagne Louis Roederer Cristal knacken die 100 Euro Marke um Längen. Mein Tipp: Schauen Sie sich nach unbekannterem Vintage-Champagner um, denn Stil ist keine Frage des Etiketts!
8. Mit 80 Weinen um die Welt – Die autochthonen Rebsorten
Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah, Chardonnay und Sauvignon Blanc bilden das Quintett des internationalen Weinbaus. Dass es großartige Weine aus diesen Rebsorten gibt, ist unbestritten. Doch zu einem echten Gentleman gehört natürlich eine etwas tiefere Kenntnis der Dinge. Einmal, um Respekt vor den Ländern zu zeigen, die er bereist hat, aber auch, um jeden Massengeschmack entschieden entgegenzutreten. Deshalb ist hier Forschergeist und Trinkermut gefragt. Unerschrocken stürzt man sich auf einen Dolcetto aus dem Piemont, lässt sich von einem Godello aus Galicien verblüffen oder würdigt einem knallharten Tannat aus dem Madiran. Die Liste könnte hier sehr lang werden, deshalb kann ich nur Eigeninitiative empfehlen. Gehen Sie Ihrem Weinhändler mit dem Thema autochthonen Rebsorten auf die Nerven und wenn er den Begriff gar nicht kennt, dann tauschen Sie ihn umgehend aus!
9. Think Pink – Der diskrete Charme des Rosé
Fällt das Wort ‚Rosé‘ bei gestandenen Weinkennern, dann wenden sich die meisten mit Grausen ab. Denn diese Kategorie wird gemeinhin so wahrgenommen wie ein Trabbi bei Fans der Formel 1. Man kann das allerdings auch ganz anders sehen, denn der Rosé boomt, und rein zufällig zieht er die holde Weiblichkeit magisch an. Der Gentleman weiß dies zu nutzen und kennt sich aus. Minimum sind dabei fünf Kategorien. Der verführerische Gentleman wählt den Rosé-Champagner. Der maskuline Gentleman kennt den Tavel. Der spielerische Gentleman nimmt einen Rosé aus Mallorca. Der extravagante Gentleman sucht einen Barrique gereiften Rosé aus der Rioja. Und der spendable Gentleman stellt den Château d’Esclans Garrus aus der Provence für knapp 100 Euro auf den Tisch.
10. Reifeprüfung! Wenn ein Wein in die Jahre kommt
Es war einmal in längst vergangenen Zeiten. Da schuf man in Gentleman-Kreisen einen Weinkeller-Zyklus. Der Großvater kaufte für den Enkel ein und überlies dem eigenen Sohn wiederum den Keller seines Vaters. Was das wunderbare Resultat hatte, dass man schon als Jung-Gentleman auf herrlich gereifte Weine zurückgreifen konnte.
Heute herrscht Jugendwahn in den Weingläsern der Republik, doch sollte der echte Gentleman immer eine kleine Auswahl reifer Weine in petto haben. Dabei meint reif nicht uralt. Viele bessere Rotweine der klassischen Anbaugebiete wie der Rioja und Ribera del Duero in Spanien, der Bordeaux und Rhône in Frankreich und der Piemont und Toskana in Italien sind schon nach acht bis zwölf Jahren in perfekter Trinkreife. Und dafür muss man auch kein Vermögen ausgeben. Den ‚Weißt du noch damals-Effekt‘ gibt es gratis dazu.
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Der Autor
Unser Gastautor Jochen Blass ist Weingourmet und Feintrinker und schreibt für den Online-Shop Wine in Black.
Wein muss schmecken … nicht mehr und nicht weniger …