»Knigge ist wieder da« – Das Original in moderner Sprache
In einem Dreiteiler samt Rock und Kniestrümpfen findet sich der Begründer der gepflegten Umgangsformen Adolph Freiherr von Knigge plötzlich im Jahre 2016 wieder. Herbeigerufen wurde der berühmte Aufklärer von Felix Gottschalk, der kürzlich den »Original-Knigge in modernem Deutsch« veröffentlicht hat. Ehrensache für den Gentleman-Blog, sich der Lektüre dieser bearbeiteten Neuauflage zu widmen.
Am Knigge führt kein Weg vorbei
In der Diskussion um Umgangsformen im Allgemeinen und das Selbstverständnis des modernen Gentlemans im Speziellen führt kaum ein Weg am Knigge vorbei. Selbst heutige Stilikonen und Kenner des guten Geschmacks berufen sich oft und gern auf Adolph Freiherr von Knigge (1752-1796). Schließlich etablierte sich sein Buch „Über den Umgang mit Menschen“ aus dem Jahre 1788 zu einem der berühmtesten Ratgeber in puncto Anstandsformen und selbstbestimmte Lebensweise. Doch nur wahre Enthusiasten werfen tatsächlich einen Blick in das Standardwerk der deutschen Ratgeber- und Aufklärerliteratur.
Felix Gottschalk ist ein solcher Enthusiast. Der Doktorand für Volkswirtschaftslehre an der ETH Zürich stieß im Rahmen eines Seminars zum Thema »Business-Knigge« auf den gleichnamigen Freiherrn. Bei der Lektüre stellte er erfreut fest, dass viele der lehrreichen Knigge-Hinweise auch nach über 225 Jahren kaum etwas an Aktualität eingebüßt hatten. Einzig die sprachliche Gestaltung schien ihm ein wenig eingestaubt und umständlich. Die lang verwinkelten Sätze erschwerten die Lektüre und viele der damals geläufigen Redewendungen wirkten veraltet.
»Knigge benutzt das Wort “niedrig”, heute würde man eher “böse” sagen. Knigge sagte “Pinsel” statt “Dummkopf”, “schlechterdings” statt “absolut”, “Zweck” statt “Ziel”, “dienstfertig” statt “hilfsbereit”, “Beruf haben” statt “das Recht/ die Autorität haben”, “endlich” statt “schliesslich”, und so weiter«, schildert Gottschalk seine Erfahrungen mit der zum Teil antiquierten Sprache des Originalwerks.
„Über den Umgang mit Menschen“ – ein Klassiker im neuen Gewand
Ende 2015 fasste Gottschalk daher den Entschluss, das Original derart umzuformulieren, als hätte Knigge heute selbst noch einmal zu Federkiel und Tinte gegriffen, um seine Gedanken auch Lesern im 21. Jahrhundert leichter zugänglich zu machen – Felix Gottschalk beschränkte sich bei seiner Arbeit verständlicherweise auf Computer und Tastatur.
Unter dem Pseudonym Felix Goda begann Gottschalk mit einer Überarbeitung und beendete den ersten von insgesamt drei Teilen des Ursprungswerks nach eigenen Angaben in knapp drei Monaten. Der Inhalt blieb dabei weitestgehend unverändert. Neu ist freilich das im Vorwort geschilderte Szenario des wieder erwachten Freiherrn von Knigge, der sich im Jahr 2016 unerwartet auf einer Wiese unweit des Schweizer Zürichsees wiederfindet. Wie es der Zufall so will, begegnet ihm zuerst sein späterer Co-Autor Felix Goda. Damit ist der Weg für die ungewöhnliche Zusammenarbeit auf nicht einmal einer halben Seite geebnet.
Wer sich nun fragt, wie eine solch‘ sonderbare Arbeitsgemeinschaft funktioniert, erfährt in einem amüsanten Interview im Anhang, was Knigge und Goda sich eigentlich bei der Neuauflage gedacht haben, und welche Win-Win-Situation sich aus der ungewöhnlichen WG ergab.
Doch wie aktuell ist der Knigge heute tatsächlich noch? Die Beantwortung dieser Frage lässt sich am besten durch eine Leseprobe klären…
»Original-Knigge in modernem Deutsch« – ein Auszug
»41. Verschwiegen sein
Eine der wichtigsten Tugenden im gesellschaftlichen Leben ist die Verschwiegenheit. Leider wird sie von Tag zu Tag seltener. Man ist heute so unverbindlich wenn es darum geht, etwas zu versprechen, zu beteuern oder auf etwas zu schwören. So erzählt man scham- und gewissenlos Dinge herum, die einem unter der Bedingung zu schweigen anvertraut wurden. Es gibt auch Menschen, die zwar nicht so unzuverlässig, aber umso leichtsinniger sind. Sie können nichts gegen ihre Geschwätzigkeit tun. Sie vergessen, dass sie gebeten wurden zu schweigen. Aus unverzeihlichem Leichtsinn erzählen sie die wichtigsten Geheimnisse ihrer Freunde in der Öffentlichkeit herum. Es passiert ebenfalls, dass solche Leute es nicht für sich behalten können, wenn sich ihnen einmal jemand anvertraut und von seinen Problemen erzählt. Sie erzählen es dann anderen Leuten weiter, die genauso tratschen wie sie selbst. Diese Leute können auch ihre eigenen Geheimnisse, Pläne und Erlebnisse nicht für sich behalten und zerstören dadurch ihr Glück und ihre Pläne.
Welche Nachteile ein so unvorsichtiger Umgang mit Geheimnissen bringt, braucht man nicht weiter ausführen. Es gibt aber auch einige Dinge, die man für sich behalten sollte, obwohl sie keine Geheimnisse sind. Das sind die Dinge, die niemand interessant oder unterhaltend findet. Dinge, die möglicherweise für andere unvorteilhaft sein könnten, wenn sie ausgeplaudert werden.
Ich empfehle daher die kluge Verschwiegenheit als Tugend für den Umgang mit Menschen. Man soll nur aufpassen, dass sie nicht ins Mystische ausartet. […] «
Heute wie damals wahre Worte, deren Lektüre nicht nur unterhaltsam, sondern auch angenehm lehrreich ist. Wer nun neugierig geworden ist, findet den »Original-Knigge in modernem Deutsch« als Buch und E-Book u.a. auf der Homepage von Felix Gottschalk.
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Bin schon gespannt auf die Analyse des Werkes, Jörg. Werde mir jedoch schon mal vorab dieses Werk besorgen und auch mal rein schauen da ich die Knigge als eigenes sehr interessant und wichtig finde. Nur leider immer weniger Bedeutung hat in unserer Gesellschaft!
Übrigens, habe mir natürlich das Buch bestellt. den Original Klassiker habe ich schon einige Jahre und auch einige andere Bücher zum Thema, die darauf basieren. Bin gespannt und werde darüber natürlich in meinem Blog berichten, ob der Titel hält, was er verspricht.
Schönes WE.
Jörg K. Unkrig
Kommunikationstrainer
Gerade im Business ist und wird gutes oder passendes Benehmen niemals out. Knigge neu zu interpretieren und ins digitale Zeitalter zu übersetzen ist dabei ein wichtiger Schritt.
Ich erlebe in Bewerbungstraining häufig, dass viele Bewerberinnen un Bewerber nicht einmal die Basics von Etikette, Stil und Benehmen kennen und sich wundern, warum sie dann trotz guter Zeugnisse oder Referenzen die angestrebte Stelle nicht bekommen.
Meist sind Frauen da noch den Männern voraus.
Jörg K. Unkrig
Kommunikationstrainer