Bärte – Vom Ende des Hipster-Symbols?
Manch einem mag es entgangen sein, aber wir haben vor Kurzem den Welt-Bart-Tag hinter uns gebracht. Tatsächlich ist auch nicht jeder Experte auf dem Gebiet der Be- und Enthaarung der Meinung, dass der Bart ein Grund zum Feiern sei. Seine Popularität lässt sich indes nicht bestreiten. Dr. Stefanie Etzel blickt im Gentleman-Blog auf die wechselseitige Geschichte der Gesichtsfrisur zurück und erklärt, was dem Bart eigentlich zu seinem Siegeszug verholfen hat.
Der Bart ist im Mainstream angekommen
Schon vor einigen Jahren hatte es den Anschein, als habe der Bart seinen Zenit erreicht: Der Bart war in allen Formen und Farben im Mainstream angekommen, Überraschungen waren nicht mehr zu erwarten. Wer jedoch glaubte, die Männerwelt werde dagegen mit dem Rasierer zu Felde ziehen und sich künftig wieder mit Babypopo glatten Wangen zeigen, der lag falsch. Bärte, wohin man schaut.
Auch Studien, die der Gesichtsbehaarung einen gewissen Grad der Sättigung attestierten, mussten inzwischen korrigiert werden: Noch immer gibt es männliche Bevölkerungsgruppen, die, zuvor vor allem für eine tadellose Rasur bekannt, nun plötzlich den Bart sprießen lassen. Das blieb nicht ohne gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen.
In der Modewelt hat der Hipster dem metrosexuellen Understatement der neunziger Jahre mittlerweile den Garaus gemacht. Die Kosmetikindustrie, die sich gerade noch über die wachsende Eitelkeit unter den Männern gefreut hatte, klagt: Die Bärte lassen schlicht zu wenig Haut zum Pflegen. Gleichzeitig freuen sich die Soziologen, weil man(n) doch allein mit dem Bart noch die Möglichkeit habe, seine Männlichkeit auf ästhetische Weise nach außen zu tragen.
Vom Auf und Ab der Bartfrisur
In der Forschung hält man die Verbindung von Bart und Männlichkeit für durch und durch in der Neuzeit begründet. Bereits im 18. Jahrhundert glaubte man, dass ein Aderlass und eine Rasur am besten zusammen durchgeführt werden sollten. Denn es sei die Hitze der inneren Organe, die das Gesichtshaar zum Sprießen bringe. Naturgemäß wurde ein voller Bart mit dem entsprechenden Temperament in Verbindung gebracht. Einige Jahrzehnte später war es jedoch erst einmal aus mit dem Vormarsch der Bärte: Die Idole der griechisch-römischen Antike sorgten allenthalben für samtweich geschorene Gesichtshaut.
Schon mit dem Anbruch des Viktorianischen Zeitalters kehrte der Trend wieder um: Von „Abe“ Lincoln sagt man, er wäre glattrasiert nie im Stande gewesen, die Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu gewinnen. Eine junge Verehrerin hatte ihm der Legende nach geraten, einen Bart zu tragen. Die Folgen sind bekannt. Nach dem Ersten Weltkrieg verloren die Bartträger erneut an Boden auf dem modischen Parkett – man mag sich vorstellen, dass so manche Ehefrau ihren heimgekehrten Gatten erst einmal unverdeckt sehen wollte.
Die Geschichte zeigt: Der Bart hatte seine modischen Ups und Downs. Nun ist er eben wieder einmal in der Breite der männlichen Bevölkerung angekommen. Mittlerweile sprießen die Barthaare von den Kinns und Wangen der Fashionistas und Spitzenmanager gleichermaßen. Stil-Ikone George Clooney mag als Trendsetter vorangegangen sein, das Massenphänomen des allgemeinen Bartwuchses kann sein bärtiger Auftritt bei der Oscar-Verleihung vor einigen Jahren sicher nicht erklären.
Hat der Bart noch eine Zukunft?
Anders als in früheren Jahrzehnten fühlt sich das Bart-Tragen heute gar nicht so sehr wie ein „Trend“ an. Früher war das Bärtige eher im Fluss. Es schmückten sich in den 1980er Jahren Designer und Kreative mit stoppeligen Dreitage-Bärten; wer sich ein Ziegenbärtchen am Kinn stehen ließ, war in den 1990er Jahren ganz vorne dabei.
Die heutigen Vollbärte aber, sie werden einfach immer voller und mehr. In einer Art Gegenkultur lassen sich erwartungsgemäß die Meckerer und Neinsager vernehmen. Ein Bart sei ein Bakterien-Herd, führen die einen an – die anderen vermissen die echte stilistische Abgrenzung, den eigenen Ausdruck. Noch kommen solche Stimmen indes nicht gegen die Bärte und ihre Träger an.
So beliebt das Barttragen also sein mag, die Geschichte lehrt uns, dass irgendwann zwangsweise die Spitze erreicht ist. Ob es allerdings jetzt schon so weit ist, mag bezweifelt werden. Für den Augenblick können wir nur sagen: Ein Bart sieht doch verdammt gut aus. Und für den Fall der Fälle liegen Rasierschaum und -klinge im Spiegelschrank bereit.
Foto 1: Thomas E. Wunsch; Styling: Modeatelier Kerstin Spiekermann
Foto 2: Axel Fremmer; Styling: ManagerOutfit
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Die Autorin
Dr. Stefanie Etzel ist Sprachwissenschaftlerin und Project Manager bei ExpertExecutive. Sie analysiert dort Auftritte des Spitzenmanagements unter rhetorischen Gesichtspunkten.
Schöner Artikel und ich muss sagen, ich war auch etwas überrascht. Plötzlich trifft man überall auf Männer mit Vollbärten. In meiner Jugend waren dies noch eher die Unikate, Rocker oder Weihnachtsmänner. In dieser Zeit ging der Übergang vom glattrasierten Gesicht zum Vollbart verdammt schnell. Doch nach kurzer Irritation hat man sich direkt an den Anblick gewöhnt und solange der Bart gut gepflegt und passend ist, ist dem nichts entgegen zu setzen. :)