‚You Only Live Once’ – Alles Yolo oder was?
„YOLO“ ist das „Jugendwort des Jahres 2012“. Was zunächst nach „Carpe Diem“ klingt, entpuppt sich auf den zweiten Blick als ein Bekenntnis zu Zügellosigkeit und Verantwortungslosigkeit. Der Gentleman-Blog plädiert für weniger „Yolo“ und mehr „Carpe Diem“.
Jugendwort des Jahres 2012
Eine sechsköpfige Jury des Langenscheidt Verlages hat das Jugendwort des Jahres 2012 gekürt. Unter 40.000 Einsendungen wählten die Sprachexperten das Wort ‚Yolo’ aus. Dieses Akronym steht für eine simple Aufforderung in englischer Sprache: “You only live once“. Wörtlich übersetzt lebt man also nur einmal. Im übertragenden Sinne mag man da an das gute alte Carpe Diem denken. Wird diese klassische Aufforderung den Tag (sinnvoll) zu nutzen nun einfach durch ein vermeindlich cooleres Wort ersetzt?
Yolo versus Carpe Diem
Nein, denn eine einfache Internetrecherche nach Yolo genügt zu der Erkenntnis: Dieses Wort wird von der Jugend in einem gänzlich anderen Kontext genutzt als das traditionelle Carpe Diem. Der lateinische Ausspruch will motivieren, sich der Einmaligkeit des Lebens bewusst zu werden, Chancen zu ergreifen und die Möglichkeiten eines jeden neuen Tages auszuschöpfen. Dazu zählen ausdrücklich auch der Genuss, beispielsweise durch gutes Essen oder Trinken, kulturelle Aktivitäten oder Begegnungen mit Freunden. Carpe Diem geht aber noch weiter: Lieber heute die wichtigen Dinge auf den Weg bringen! Sei es, ein Projekt zu starten, sich endlich auf den Traumjob zu bewerben oder die nette Dame von der Haltestelle auf einen Kaffee einzuladen.
Carpe Diem ist ein Plädoyer aktiv zu sein und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, anstatt die Tage faul und passiv an sich vorbeiziehen zu lassen. Yolo hingegen wird fast ausschließlich als dankbare Ausrede für ungezügelten Genuss, Konsum oder Hedonismus verwendet. Das Smartphone für 500 Euro auf Pump kaufen? Yolo! Rauchen mit 15? Mathe Hausaufgaben vergessen? Yolo! Unter der Woche feiern gehen? Yolo! Sex ohne Kondom? Yolo! …
Es ist das Recht, ja vielleicht sogar die Pflicht der Jugend, zu rebellieren und Althergebrachtes zu hinterfragen. Doch genauso ist es Aufgabe der Erwachsenen der jüngeren Generation Verantwortungsbewusstsein und Nachhaltigkeit beizubringen.
Yolo, nein danke!!
Das Phänomen Yolo verdeutlicht: Aus einer identischen Erkenntnis können völlig unterschiedliche Konsequenzen gezogen werden. Die Erkenntnis der eigenen Endlichkeit kann für den einen die Motivation zu zügellosem Konsum, übertriebenen Genuss und krankhafter Selbstüberhöhung sein. Ganz nach dem Motto: Nach mir die Sintflut! Für den anderen kann die Begrenztheit des Lebens die Inspiration zu verantwortungsvollem Handeln, mehr Menschlichkeit, und Großzügigkeit mit anderen sein. Für einen wahren Gentleman kann es daher nur heißen: Yolo, nein Danke! Carpe Diem, ja bitte!
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In diesem Text wird leider, wie so oft, der Begriff Hedonismus falsch verwendet. Hedonismus ist eine griechische Philosophie-Richtung, u.a. vertreten Epikur. Horaz wiederum, von dem das Zitat „Carpe Diem“ stammt, bezeichnete sich selbst als Schüler Epikurs, folglich war er Hedonist, und folglich ist auch sein „Nutze den Tag“ hedonistisch gemeint. Da für den Hedonismus die Lust das höchste Ziel ist, geht es bei Carpe Diem eben NICHT um die sinnvolle, sondern die lustvolle Nutzung des Tages. Das wird vor allem deutlich, wenn man das Zitat im Zusammenhang liest. Allerdings ist auch für den Hedonismus kein lustvolles Leben ohne Vernunft und Gerechtigkeit denkbar, deshalb schließen sich lust- und sinnvoll nicht zwangsläufig aus.
Ähnliches wurde ja in obigem Text bereits ausgeführt, dann allerdings wird „Hedonismus“ in Gegensatz dazu gestellt, als ob „hedonistisch“ bedeuten würde hemmungslos seinen Impulsen zu folgen. Das ist sachlich nicht korrekt. Allerdings sind die Begründungen für ein Aufschieben oder Vermeiden von Lust (wie z.B. ungeschütztem Sex) im Hedonismus rein innerweltlich und dienen nicht „höheren Idealen“ oder „unserer Sache“.
YOLO ist im Übrigen nichts anderes als die Jugendvariante eines anderen antiken Zitates, diesmal von Epikur selbst:
– Wir sind ein einziges Mal geboren, zweimal geboren zu werdenist nicht möglich;(…)Und da schiebst Du auf, was Freude macht, obwohl Du nicht einmal Herr über das Morgen bist? Über dem Aufschieben schwindet das Leben dahin, und so mancher von uns stirbt, ohne sich jemals Muße gegönnt zu haben.-
Nichtsdestotrotz hätte Epikur schon aus reinen Vernunftgründen weder zum hemmungslosen Schulden machen, noch zu riskanten Sexualpraktiken geraten. Denn wer kann schon Muße empfinden wenn der Gerichtsvollzieher droht, oder man weiß dass man sich HIV eingefangen hat?
Ich persönlich finde im richtig verstandenen Hedonismus eine durchaus taugliche philosophische Grundlage für den Gentleman.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver
Finde es total lächerlich wie die ganzen Kinder auf Yolo scharf sind. Immer werden solche dummen sprüche wie Babo ider Yolo als Jugendwörter des Jahres gewählt.
Guten Abend,
da ich selber zwei Kinder habe, die allerdings oder zum Glück noch nicht in die YOLO-Generation gehören, und dieser Kelch auch hoffendlich an ihnen vorüber geht,
habe ich diesen Artikel aus zweierlei Sichtweisen gelesen, und fand ihn aus der Einen als auch aus der Anderen, sehr anregend geschrieben.
Vielen dank für die Denkanstöße, die hier als z.t. gute Ratschläge mit auf den Weg gegeben werden.
LG O.Sens
Hallo Fuphil,
danke für Dein Feedback.
Um dass Thema Mode kommen wir natürlich nicht herum uns wollen das auch gar nicht.
Hier aber noch eine kleine Auswahl „umweltbewusster Themen“ im Gentleman-Blog:
https://gentleman-blog.de/2011/08/15/gruener-gentleman-umwelt/
https://gentleman-blog.de/2012/05/07/guerilla-gardening/
https://gentleman-blog.de/2012/02/13/konsum-konsumkritik/
https://gentleman-blog.de/2012/11/15/lob-der-alten-dinge/
https://gentleman-blog.de/2012/06/24/virtuelles-wasser-sparen/
Viele Grüße
Lukas vom Gentleman-Blog
Okay, korrigiere mich. Schön dass ihr an 2nd-Hand und Virtuelles Wasser gedacht habt!
„Doch genauso ist es Aufgabe der Erwachsenen der jüngeren Generation Verantwortungsbewusstsein und Nachhaltigkeit beizubringen.“
Eure Seite ist ja recht informativ, aber beherzigt ihr das auch selbst? Habe kurz einmal, angelockt durch obigen Artikel, da mir der Unterschied zwischen Yolo und Carpe Diem auch aufgefallen ist, Eure Mode-Seiten durchgeschaut: Artikel über die negativen Seite der Mode, wie Abhängigkeit, Umweltbelastungen, Produktionsweisen gibt es da ja leider nicht. Gehört zum edlen Gentleman nich auch ein gutes Gewissen, dass er mit seinem Lebensstil nicht auch anderen schadet?
Das Leben ist zwar kurz, sollte aber eigentlich ausreichen um einen Text Korrektur zu lesen. Für einen selbsternannten Gentlemanblog ist die Veröffentlichung eines solchen (inhaltlich richtigen Artikels) in meinen Augen tendenziell peinlich. Daher, Carpe Diem, und zwar zum korrigieren!