Weinmessen: Fünf Survival-Tipps für Verkoster
Auf Weinmessen zeigen Winzer, was sie aus den roten und weißen Trauben gekeltert haben. Große Verkostungen mit mehreren hundert Weinen ermöglichen etwas, was die Probe im Keller nicht leisten kann: Sie bieten einen Querschnitt. Diese Möglichkeit sollte man möglichst lang aufrecht und ohne Lallen nutzen können. Denn wo Vielfalt den Tisch deckt, braucht’s auch einen Plan. Genau den liefert Wein-Kenner Roland Graf im Gentleman-Blog mit seinen Tipps, wie man sich stilvoll durch die zu kostende Weinfülle schlägt.
Fünf Anregungen, die stilvolle Trinker von den „Staubsaugern“ trennen – also jenen Zeitgenossen, die Magen, Leber und Gehirn lediglich möglichst gratis auf Trab halten wollen.
Die wichtigste Regel: Haben Sie einen Plan
Egal, ob Sie sich eine Rebsorte oder Region im Detail anschauen wollen, bleiben Sie auf einer Weinmesse einem Konzept treu. Das klingt einfach, aber wir sind oft schlicht zu höflich. Kennt man einige Winzer, winkt bald irgendwo jemand, und die zugehörige „Kostaufforderung“ kann man nur schwer ausschlagen. Das sollte man aber, wenn Sie Ihren Gaumen nicht minütlich neu kalibrieren wollen. In eine Riesling-Tour streut man keinen Spätburgunder ein! Also zunächst einmal die Weißweine durchprobieren, dann etwas Rotes. Es ist keineswegs verboten, Winzer mehrmals zu besuchen, nur denselben Wein nachzuverlangen, wird Ihnen keine Freunde eintragen.
Trinken Sie keine Etiketten
Wahre Menschentrauben bilden sich immer vor den „big names“, schließlich lassen sich rare Weine, die man sich mangels Einkommen nicht einlagert, auf einer Weinmesse schön verkosten. Erstens heißt es lange warten, zweitens sparen die Winzer zu recht bei diesen Weinen und drittens entgeht einem in dieser Zeit so manche Entdeckung. Im Smalltalk sind Sie mit einem Diskurs über die Beerenfrucht des russischen Weins aus Krasnodar am Schwarzen Meer eher ein Hero als in einem Exkurs über die 2002er Burgunder.
Wasser und Brot sind keine Strafe
Planen Sie auf einer Weinmesse auch Pausen ein, neutralisieren Sie den Gaumen mit einem Stück Brot oder Mineralwasser. Vor allem, wenn Sie gerade dabei sind Sorten oder Weinstile zu wechseln. Der tanninbefleckte Zahn nach der Rotwein-Verkostung ist kein gutes Messgerät für die Qualität einer Trockenbeerenauslese. Auch die Säure einer umfänglichen Weißwein-Probe will neutralisiert, also schlicht weggespült werden.
Keine Angst vor Spuckern
Beim Rundgang auf einer Weinmesse werden Sie auch vermeintlich seltsame Gebräuche kennen lernen; etwa die fast rituell gebrauchten Tonschalen, die bisweilen an den Besitzer gekettet sind. Das alte Streitthema „spucken oder nicht?“ hat mit diesen Behältnissen zu tun. Bei umfänglichen Proben schluckt man in der Regel den Wein nicht, sondern gibt ihn nach dem ersten Kosten wieder von sich. Dafür gibt’s die Schüttkrüge, in die auch nicht getrunkene Reste kommen – oder eben die erwähnten Privat-Pötte der Marke. Ja, spucken sieht graulich aus, ist es bei aller Professionalität auch. Speichelfäden lassen sich nicht vermeiden und sind auch nie schön anzusehen.
Wer den ganzen Wein kennenlernen will, seine Lebendigkeit bis in den Abgang, sollte also nicht spucken, sondern eher um kleine Kostproben bitten, diese aber ganz trinken. (Das freut auch den Winzer mehr). Und auch Spucker sind irgendwann jenseits von Wein Nummer 65 angeschlagen, so viel also zum längeren Stehvermögen.
Nutzen Sie den Katalog
Sie müssen es zwar nicht machen, aber Mitschreiben hat Sinn. Die Alternative führt sonst zu wenig brauchbaren Aussagen der Marke „Da hab ich letztens was getrunken, von der Saale, super war der“. Für den Hausgebrauch empfiehlt sich eine Kürzel-Systematik, die aus Plus und Minus besteht, damit lässt sich besonders Eindrucksvolles oder „so gar nicht meines“ ideal markieren. Doppelplus ist der Höchstwert. So wissen Sie auch noch am Tag danach, was auf die Wunschliste gehört.
Der Gentleman-Blog wünscht viel Vergnügen beim Weinmesse-Besuch!
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