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Die PUA-Szene aus Sicht der Wissenschaft

Pick-Up-Artists: Eine soziologische Betrachtung

Pick-Up-Artists: Eine soziologische Betrachtung

In unserem Interview mit dem Pick-up-Artist Marko Polo erkundigten wir uns, wie man effektiv flirtet. Unumstritten war das Interview nicht, und auch die Pick-up-Artists stehen immer wieder in der medialen Kritik. Wir wollten das Thema daher von wissenschaftlich neutraler Sicht angehen, und haben daher mit dem Soziologen Dr. Jan Riebling gesprochen.

Jan Riebling ist Diplom-Soziologe und hat über Methoden der quantitativen Textanalyse promoviert. Er forscht und lehrt er zur Analyse sozialer Netzwerke, symbolischen Ordnungen und Computational Social Science. Der Unterschied zwischen Flirten und Rechthaberei ist ihm nach Selbstauskunft nur theoretisch geläufig.

Herr Riebling, erklären Sie uns einmal kurz, was genau ein Pick-Up-Artist ist.

Aus soziologischer Perspektive handelt es sich bei Pick-Up-Artists, kurz PUA, um Mitglieder einer Szene. Darunter verstehen wir eine soziale Gruppe, deren Mitglieder über gemeinschaftliche Normen, Symbole und Rituale solidarisch miteinander verbunden sind. Im Unterschied zu anderen Formen von Gruppen, wie zum Beispiel Subkulturen oder Sekten, sind Szenen eher locker integriert und bestehen oft nur aufgrund eines gemeinsamen Lebensstils. Die PUA-Szene ist auf die Diskussion und Entwicklung von Verführungsstrategien ausgerichtet. Wer diese Personen konkret sind, das heißt, welche strukturellen Merkmale, die PUA Szene aufweist, und damit meine ich durchschnittliches Alter oder Bildungsabschlüsse, ist nicht bekannt.

Man kann bezüglich der PUA-Szene von einer Pseudowissenschaft sprechen, da sie Wahrheitsansprüche erhebt und auf wissenschaftliche Studien und Begrifflichkeiten zurückgreift. Wie auch im Falle anderer Pseudowissenschaften, wie zum Beispiel der Homöopathie, spielt die wissenschaftliche Methode keine Rolle bei der Feststellung der „Wahrheit“. Daher muss es andere Kriterien geben, um über Wahrheit und Unwahrheit zu entscheiden. Die Konstruktion und Durchsetzung dieser Kriterien waren vor einiger Zeit Gegenstand meiner Forschung

Was sind die kennzeichnenden Mechaniken eines PUAs?

Die Szene zeichnete sich schon immer durch eine große Bandbreite an Techniken und Strategien aus. In den späten 1980er Jahren, als die Szene entstand, waren es vor allem psychologische Theorien, wie das Neurolinguistisches Programmieren, kurz NLP, die den theoretischen Überbau lieferten. Im Laufe der 1990er Jahre kamen verhaltensbiologische Begrifflichkeiten und Versatzstücke aus der Evolutionsbiologie dazu. Zum Beispiel die Unterscheidung in „Alphas“, das heißt die Männer, die es zur Paarung schaffen und „Betas“, die sich von Frauen benutzen lassen, aber keine Chancen auf Sexualkontakte haben. Diese wilde Mischung wurde dann mit Konzepten aus dem Bereich des „Life-Coaching“ angereichert. Daher kommt dann zum Beispiel so etwas, wie die Bedeutung der Körpersprache oder das Erzeugen von Aufmerksamkeit durch außeralltägliche Kleidung, das sogenannte „Peacocking“.

Damit ein PUA als solcher anerkannt wird, muss er sich von denjenigen abgrenzen, die bereits fest im Sattel sitzen. Er muss seine eigene Methode entwickeln, deren Erfolg demonstrieren und sie in Seminaren an besserungswillige „Betas“ weitergeben. Wie bei anderen Pseudowissenschaften auch kommt hier die ökonomische Komponente ins Spiel. Die Weitergabe der Methoden einer PUA-Schule funktioniert meist nach dem Schneeballprinzip. Besucht man genug Seminare, kann man irgendwann selber Ausbilder werden und vielleicht sogar seine eigene Methode entwickeln. Auf die gleiche Weise machen auch andere esoterische Lehren ihr Geld.

Hand aufs Herz. Geht es den PUAs um eine tatsächliche Beziehung oder nur um die „schnelle Nummer“?

Worum es es den einzelnen Personen geht, ist wohl sehr unterschiedlich und auch nicht so einfach feststellbar. Allerdings zielen die meisten „Techniken“ der PUAs darauf ab, von Frauen „unabhängig“ zu werden. Der Wunsch nach einer Beziehung mit einer bestimmten Frau wird generell als ein zentrales Problem gesehen. Die PUAs verstehen die Fokussierung auf eine Frau zudem als unnatürlich an. Ein solches Verhalten werten sie als einen Verstoß gegen den „evolutionären“ Imperativ des Mannes, eine möglichst weite Streuung seines Erbgutes zu erreichen.

Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn bei vielen Mitgliedern war die ursprüngliche Motivation der PUA-Szene beizutreten, die enttäuschte Hoffnung auf eine Beziehung. Zumindest wurde dies oft so dargestellt. 

Helfen die Techniken der PUA tatsächlich schüchternen Menschen, Selbstsicherheit zu erlangen?

Zumindest bietet die PUA-Szene die Möglichkeit, sein eigenes Erfahrungswissen als Faktenwissen zu interpretieren. Tendenziell fühlen sich Menschen in ihrem Selbstvertrauen gestärkt, wenn sie ein spezifisches Wissen aufweisen oder Expertise in einem bestimmten Feld erlangen. Dies ist generell unabhängig von der praktischen Relevanz dieses Wissens, ein Effekt, der aus der Religionssoziologie bekannt ist.

PUAs stehen immer wieder in Kritik, sie seien manipulativ und würden Frauen ausnutzen. Teilen Sie diese Kritik?

Grundsätzlich scheint mir diese Kritik die Wirkmächtigkeit der PUA-Techniken sehr zu überschätzen. Personen dazu zu veranlassen, etwas gegen ihren Willen zu tun, erfordert meistens recht invasive Verfahren wie Drohung, Gewalt oder Drogen. In den meisten Fällen sind die von PUAs empfohlenen Techniken ziemlich harmlos. Zum Beispiel das „Negging“, bei dem es darum geht, als unerreichbar empfundenen Frauen vergiftete Komplimente zu machen, um sie auf das eigene „Level“ zu bringen. Das darin erhaltene Potential zur Situationskomik hat Randall Munroe sehr schön illustriert:

pickup_artist

Daher würde ich sagen, dass die angehenden Pick-Up-Artists viel stärker manipuliert und ausgenutzt werden, als die Frauen, die sie verführen wollen. Die Seminare und das Informationsmaterial, dass man braucht, um ein „richtiger“ PUA zu werden, sind nicht gerade billig. Und natürlich finden wir auch eine Reihe von Mechanismen, die uns aus anderen Geheimlehren bekannt sind. Zum Beispiel die starke Lehrer-Schüler Bindung, obskure Initiationsriten und die Verschiebung der Beweislast auf den Gläubigen. Im Endeffekt bedeutet das, dass jedes Versagen der Pick-Up-Technologie als ein Problem des Anwenders interpretiert werden kann. Er hat dann einfach noch nicht genug trainiert und muss dementsprechend noch mehr Zeit und Geld in den Erwerb der Wahrheit investieren.

Für mich ist die viel interessantere Frage, ob all diese Erscheinungen, wie Pick-Up und Life-Coaching ebenso wie die Renaissance des New Age nicht auf viel grundlegendere, gesellschaftliche Prozesse hinweisen. Die Moderne war immer durch die Idee der Selbstverwirklichung gekennzeichnet. Anscheinend ist aus der Ermöglichung der Selbstverwirklichung mittlerweile so etwas wie die Pflicht zur Selbstverwirklichung geworden. Der Druck zu einem „erfolgreichen“ Leben, inklusive Partnerschaft und privatem sowie beruflichem Erfolg, legt es natürlich nahe, sich auf diverse Heilsversprechen einzulassen.

Gibt es denn wissenschaftlich gesehen das „perfekte Flirten“?

Ohne die soziologischen Grabenkämpfe hier auszuführen, ging es mir immer mehr um soziale Strukturen. Die soziologische Forschung zur Paarformation legt allerdings nahe, dass es hauptsächlich darauf ankommt, einen möglichst ähnlichen Bildungsabschluss, sozialen Stand und vergleichbare Attraktivität zu haben. Erst seit dem Aufkommen des Online-Datings ist auch die Ebene der Transaktionen zwischen Individuen während der Partnersuche erforschbar.

Abschließend noch einmal Ihre ganz persönliche Meinung zu dem Phänomen der Pick-Up-Szene.

In den letzten Jahren ist eine gewisse Ideologisierung der Szene in Richtung Mens Right Activism zu beobachten. Das ist komplementär zu der immer stärkeren Radikalisierung des Third Wave Feminism. Auf beiden Seiten kommt es dann immer wieder zu diskursiven Entgleisung, die sich natürlich gegenseitig befeuern. Da wird dann von Legalisierung der Vergewaltigung, wie auch von einer generellen Rape Culture fabuliert. Das wäre an sich kein Problem, wenn diese Diskussionen nicht öffentlich in den sozialen Medien geführt würde. Die Struktur der sozialen Medien befördert oft auch eine anti-rationale Diskussionskultur, in der es im Prinzip nur darum geht, wer lauter und mehrstimmiger schreien kann. Eine solche Kultur der ständigen Aufregung und Hysterie begünstigt radikale Positionen natürlich noch viel mehr. Meiner persönlichen Meinung nach kann man von einer argumentativen Verrohung der öffentlichen Genderdebatte sprechen.

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Kommentare (5)

  1. Thomas
    Apr 10, 2018

    Ich bin selber ein aktives Mitglied der Pick-Up-Community. Ich habe das Gefühl, dass zu diesem Thema noch einige Unklarheiten bestehen also gebe ich hier auch mal meinen Senf dazu:
    Mir geht es persönlich darum, in der Lage zu sein, Frauen in mein Leben zu holen. Als sog. „Nice-Guy“, den ich mein ganzes vorheriges Leben lang verkörperte, hat man kaum Erfolg bei Frauen. Wenn man kein Leben führt, in dem man ständig auf Frauen trifft, hat man als schüchterner Mann eher schlechte Karten, Frauen kennenzulernen. Die PUAs, die ich kennenlernen durfte, wollten das Gleiche wie ich: Der Einsamkeit entfliehen und endlich selbst das eigene Leben in die Hand nehmen. Die Traumfrau wird meist nur gefunden, indem man sich dazu entscheidet, aktiv danach zu suchen. Frauen machen NIEMALS den ersten Schritt. Auch wenn in den Medien gerne was anderes behauptet wird, ist das Ziel für die die meisten im Pick-Up eine erfüllende Beziehung. Es gibt natürlich PUAs, die die Reputation der Szene verunglimpfen. Gute Schauspieler gab es schon immer und sind nicht erst durch Pick-Up dazugekommen. Aber wieso sollte das Werkzeug daran Schuld sein, wenn der Benutzer es so verwendet, wie er es tut? Bei einem Mord ist ja auch nicht die Tatwaffe schuld.
    Was in den Kritiken gerne verschwiegen wird, ist dass, man diese sogenannten „Techniken“ nur verwenden soll, solange man dabei kongruent bleibt. Frauen sind immerhin Meister darin, zu erkennen, ob ein Mann ihr was vormacht oder nicht. Daher haben solche Techniken keinen Erfolg, sobald man nicht mehr authentisch ist. Das ist jedenfalls meine Erfahrung, und auf auf dieser Grundlage betreibe ich auch Pick-Up.
    In der Gesellschaft anderer Menschen tragen wir ständig Masken, die uns zu einem Leben zwingen, das keiner von uns führen will. Pick-Up hat mir geholfen, sich von diesen Fesseln zu lösen und den Mut zu haben, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Und zwar vorallem während der Verführung.
    Achja: NLP ist „Hokus-Pokus“ und wird in dem Artikel zurecht als Pseudowissenschaft bezeichnet.

  2. Pfennigflaneur
    Mrz 18, 2016

    Herzlichen Dank für diesen Beitrag.

  3. Moderner Mann
    Mrz 5, 2016

    Männer haben es einfach. Wer wenig Geld ausgibt kauft sich Liebe bei einer Prostituierten und wer viel Geld ausgibt kauft sich exklusive Liebe in einer Ehe/Partnerschaft. PUAs sind Spieler. Sie wollen ihre Technik ausprobieren und das Flirtspiel gewinnen. Einige spielen Karten und einige mit Frauen.

  4. Konata
    Feb 25, 2016

    Das Lustige ist doch, dass Frauen die komplette Selektion beherrschen.
    Die Frau entscheidet, nicht der Mann. Sonst gäbe es kein PUA.
    Leidlich, das zu diskutieren. Männer, ihr seid selber schuld. Frauen das Wahlrecht geben, Frauen diesen und jenen Vorteil unter dem Deckmantel der Gleichstellung gewähren – und plötzlich nutzen Frauen – ganz menschlich – ihre ihnen gegeben Vorrechte!
    Das, was wir Männer früher praktizierten, praktizieren jetzt Frauen.
    Auf eine Frau in Ficknetzwerken wie Tinder kommen etwa 10 Männer.
    Angebot und Nachfrage. Ende. Herrgott. Es gab manche Strukturen damals nicht umsonst.
    Männer haben sie aufgegeben. Und nun lebt damit. Es herrscht knallharter Wettbewerb.
    Aus diesem habe ich mich schon lange zurückgezogen. Niedliche Animemädchen sind eh viel besser. Ich empfehle jedem gepeinigten Mann eine Realitätsflucht in japanische Fantasiegefilde. Viel Spaß noch ^_^

  5. Philosopher_93
    Feb 13, 2016

    Vorab: Soziologie ist genial. Der Soziologe hier ist ein perfektes Beispiel. Da weiß jemand, was er sagt und es ist schlicht wahr. Eine der vielen Geisteswissenschaften die von der großen Masse massiv unterschätzt und kaum wahrgenommen werden.
    Ad Rem: Ein interessantes aber auch schwieriges Thema.
    Um das mal etwas auszuführen: Heutzutage ist es schwer, seiner Rolle als Mann gerecht zu werden. Die Allgemein Tendenz der Frauen scheint es zu sein, einen Dominaten, Selbstbewussten und am besten noch finanziellen fitten Mann zu finden. Damit mein ich auch überhaupt was es braucht, damit sich eine Frau auf einen Mann einzulassen, in welcher Hinsicht auch immer.
    Vlt. ist das auch sehr subjektiv, allerdings habe sowohl ich persönlich die Erfahrung gemacht, es wurde oft so Bekanntenkreis wahrgenommen, als auch von der Allgemeinheit und im Internet.
    Und es gibt so viele Männer, die eben nicht Dominaten und Selbstbewussten sind, im Umgang mit Frauen. Wenn man oft angelehnt wird (viele Körber bekommt) und mehr negative als positive Erfahrungen macht, sinkt das Selbstvertrauen immer weiter. Viele trauen sich dann überhaupt nicht mehr eine Frau anzusprechen und wenn dann meist nur mit einer „Selbst Fulfilling Prophecy“ nach dem Motto: Ich bekomm ohnehin einen Korb.
    Da kommen dann die PUA bzw. deren Tricks ins Spiel. Und die können vermutlich helfen und wieder Selbstvertrauen schenken.
    Das da dann wieder Feministen meinen, dass seien alles „Vergewaltiger“ et cetera, na ja… Was soll man sagen. Man kann es einfach übertreiben, dass finde ich ist auch so ein allgemeines Problem des Feminismus. Ich habe nichts dagegen, aber es gibt auch zu viel des Guten.
    Auf jeden Fall denke ich, das die PUAs auch schaden können. Wenn ein Mann, der bereits Selbstbewusst und dominant ist, diese Tricks ständig anwendet, um ein nach der anderen ins Bett zu kriegen (und dabei werden bestimmt einige Herzen gebrochen), ist das sicher auch nicht gerade produktiv.
    Ich finde diese Pick-Up Artists nicht verwerflich. Allerdings ist es ein Zweischneidiges Schwert.
    Ich selber habe so einen PUA bisher noch nicht gesehen/kennengelernt oder war in so einem „Seminar“. Sicherlich interessant. Lehrreich oder nützlich? Schwer zu sagen. Hängt wohl vom eigenen Grad des Erfolgs bei Frauen und des Charakter ab. Geld würde ich für so etwas aber nicht ausgeben. Das ist mir dann, wie der Herr Riebling sagt, zu „pseudowissenschaftlich“.

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