Luxus nicht nur für Intellektuelle: Die Bibliothek für zu Hause
In den vielgepriesenen guten alten Zeiten, sagen wir ab dem 19. Jahrhundert, gab es in jedem Haushalt, der etwas auf sich halten wollte, ein Herrenzimmer. Hier konnte sich der Familienvorstand sich selbst, zigarrenschmauchenden Freunden und geistigen Genüssen in nach Mobiliar und Atmosphäre optimal gestalteter Umgebung widmen. Nun ist der geistige Genuss fraglos auch derjenige vollkommen ausbalancierter Brände oder samtigen Malt-Whiskeys, der eigene Geist aber verlangt auch nach solcher Nahrung, die aus den Gedanken, Geschichten und Erfahrungen Anderer gemacht ist. In einer heute den Kindern des 21. Jahrhunderts fast unvermittelbaren Epoche vor dem E-Book-Reader und Google, waren Quellen dieser Informationen und Visionen vornehmlich Bücher, pfundschwere und oft aufwändig gebundene Tradierungen menschlicher Kreativität und Schaffenskraft.
Sehnsucht nach der 30-teiligen Brockhaus-Enzyklopädie
Manche von uns sind aufgewachsen mit Büchern aller Art, die in ganz unterschiedlicher Wertschätzung bewahrt und verwahrt waren. Es gab Makulatur-Exemplare vom Wühltisch, die ewig gelben Reclam-Hefte und die hinreißenden Walt-Disney-Taschenbücher in Ikea- Regalen. Später fand sich vielleicht ein vierbändiges „Konversations“-Lexikon in der in den 1970ern unvermeidlichen Schrankwand. Heute sind wir vielleicht weiter, in jedem Fall älter – und digitalisiert, aber eben zuweilen hoffnungslos analog retromantisch. Wir lassen IPad und Kindle Touch unseren Kindern zum Klimpern und Touchen, wenden uns den Erinnerungen an physikalisch umblätterbaren Seiten aus Papier zu. Papiere, welche die unterschiedliche Texturen – vom dünnsten Blatt bis zum Feinkarton -, unterschiedliche Formate, sogar unterschiedliche Gerüche aufwiesen. Wir träumen uns in Vaters Arbeitszimmer oder in die Stube unserer Lehrer – dort sehen wir sie stehen, die Regale und Vitrinen für große und kleine Meisterwerke.
Ein Beispiel: Früher gehörte in ein jedes Herrenzimmer oder auch nur in ein besseres Bücherboard die ein- bis mehrteilige Ausgabe der wohl bekanntesten Enzyklopädie unserer Breiten, den bis zu 30 Bände umfassenden Brockhaus. Vielleicht waren Sie einer der weitsichtigen Bewahrer dieser Tradition, die zwischen 2005 und 2009 die 21. und unwiederbringlich letzte Ausgabe erworben haben. Auch dieser Schatz braucht ein Zuhause: entweder eben die heimische Bibliothek – oder, als Solitär, die maßgefertigte Regalskulptur in den Hausfarben Rot und Schwarz.
Bibliothekswand prägt das Wohnzimmer
Damit kommen wir zum Punkt. Die heimische Bibliothek ist Luxus pur, sofern man unter Luxus im Grunde entbehrliche, in jedem Fall ressourcenbindende und an sich herrlich überkommene Produkte verstehen mag. Eine Bibliothekswand verschlingt schnell den Wert eines Kleinwagens, sie beansprucht auch Fläche, Raum und Wirkung. Sie kann an einer Wand stehen und den Raum beherrschen, sie kann Räume wie ein Raumteiler gliedern, sie kann vielleicht auch nur eine Nische belegen. In jedem Fall ist sie tauglich als Mittelpunkt einer Einrichtungsidee, finden doch außer den Lieblingsbüchern auch liebgewonnene Staubfänger, Bilder in Aufstellrahmen, Skulpturen oder andere Schätze einen adäquaten Platz, um von den Lebens-Erfahrungen des Bewohners zu künden.
Dazu ein bequemer Sessel, ein Tischchen für Kaffee oder Brandy, und eine Reise in die unglaubliche Schönheit auf Papier geschriebener Worte kann beginnen. Wikipedia macht Pause.
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Der Autor
Dieser Beitrag stammt aus der digitalen Feder von Lars Hallatsch. Er lebt und arbeitet als freier Journalist, Dozent und Coach bei Köln und München. Stil und Style für Herren sind dabei seine besondere Leidenschaft.
Schade das dass Herrenzimmer und die guten Gespräche die in so einer Umgebung stattfinden, keinen besonders hohen Stellenwert mehr in unserer Gesellschaft haben…..
Sehr schöner Artikel. Eine kleine Bibliothek ist jedenfalls dienlich der Eloquenz eines relativ kleinen Kreises an Gentlemen.