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Jeroen van Rooijen im Interview: „Dandy ist eine Beleidigung“

Jeroen van Rooijen im Interview: „Dandy ist eine Beleidigung“

Jeroen van Rooijen, ehemaliger Kolumnist der NZZ-Stilbeilage „Gentlemen‘s Report“ sowie Autor des Buches „Hat das Stil?“ im Gespräch mit Sophie Brunner über die Charaktereigenschaften eines Gentleman, Turnschuhe zum Anzug und gentlemanlikes Fluchen.

Herr van Rooijen, dem Ursprung des Gentleman nachzugehen ist eine Herausforderung. Meines Erachtens ist der Gentleman aus der Demokratisierung heraus geboren worden. Eine Klasse entstand, die sich das vorbildliche Benehmen und Wissen selber angeeignet hat.

Jeroen van Rooijen: Hier haben Sie völlig Recht. Nicht zu vergessen ist, dass in England die gesellschaftlichen Schichten immer ein großes Thema waren. Das Thema hat einen historischen Boden, eine Aktualität und hat gesellschaftliche Komponenten.

Die Wirkung eines Gentleman finde ich äußerst spannend. Gutes Benehmen und ein breites Wissen sind das A und O dieser Persönlichkeit. Lediglich ein gut sitzender Anzug reicht aber nicht. Charme und Witz sind das, was den Herrn prägen sollte.

Jeroen van Rooijen: Richtig, ein Mann sollte sich nicht nur auf das Äußerliche verlassen. Wichtig sind gutes Benehmen und ein breites Wissen. Daraus sollten sich hoffentlich Charme und Witz bilden. Streng gesehen kann ein Herr sich lausig anziehen, solange er weiß, wie er sich zu benehmen hat und wie mit seinen Mitmenschen richtig umzugehen ist. Leider geht es heute beim Gentleman beinahe nur um das gute Anziehen. Das finde ich sehr traurig!

Nehmen wir doch einen vorbildlichen Gentleman. Kennen Sie Herrn Constantin von Hohenstein?

Jeroen van Rooijen: Nein, hier bin ich disqualifiziert.

Er hat 2010 das Buch „Das ABC eines modernen Gentleman“ herausgebracht. Er beschreibt kurzweilig und von leichter Hand sein Leben und gibt Tipps aus der Welt gepflegter Lebensart. Im Vorwort erzählt er von seiner ersten Konfrontation mit dem Begriff „Gentleman“. Während eines Spaziergangs mit seinem Vater fragte Constantin, was ein Gentleman sei, nachdem der Papa diesen Begriff erwähnt hatte. Der Vater antwortete prompt: „Vor dir steht ein solches Relikt.“ Sich selber als einen Mann mit perfekter Selbstkontrolle auszugeben erscheint mir etwas hochnäsig.

Jeroen van Rooijen: Kritisch. Auf jeden Fall kann man ein Gentleman sein wollen und sich die Mühe geben, einer zu sein. Doch die Behauptung, man sei ein Gentleman, widerspricht dem Ideal vom Leben eines Gentlemans, der sein ganzes Leben lang dazulernen und sich weiterentwickeln sollte. Die Aussage dieses Autors tönt selbstverliebt. Nun, und merken Sie sich dies: Die Aufgabe, jeden Tag offen zu sein, um Neues zu lernen, betrifft jeden Menschen. Ein Beispiel wäre gerade dieses Buch. Ich habe es vorher nicht gekannt. Es scheint, als ob man es lesen sollte.

In der Stil-Beilage der Zeitung NZZ am Sonntag erschien der Artikel „König des Brit-Chic“. Die Einleitung lautete „Die Garderobe des klassischen Gentleman ist Jeremy Hacketts Element“. 

Jeroen van Rooijen: Er ist einer. Jeremy Hackett ist ein Gentleman! Ich habe mit ihm kürzlich ein Interview geführt, zumal er hier vor nicht langer Zeit einen Shop eröffnet hat.

Weshalb sind Sie dermaßen überzeugt, dass Jeremy Hackett ein Gentleman ist?

Jeroen van Rooijen: Er ist kultiviert, hat Manieren, geht freundlich mit Menschen um, ist gebildet und hat eine Ahnung von gut gepflegter Kleidung. Er ist einfach eine Referenzgröße.

Wie stehen Sie zu der Aussage „James Bond ist ein Gentleman-Agent“?

Jeroen van Rooijen: Er ist ein prototypischer Gentleman. Ich finde, Roger Moor und Sean Connery fantastisch. Sie lösen Konflikte mit Charme und List und nicht durch Gewalt mit Fäusten. Auch wenn diese Menschen töten, diese ehrenvolle Apostrophierung haben sie verdient. Besonders die James Bond aus den Sixties liegen mir am Herzen. Die Ausstattung ist modern und die Anzüge sind bewundernswert. Leider ist diese Aura im Film „Ein Quantum Trost“ zusammengebrochen. Regisseur Marc Forster hat James Bond zu einer Actionfigur umgewandelt und ihn hiermit beerdigt!

Ich zitiere einen Satz aus dem Buch „Das ABC eines modernen Gentleman“: „Der Gentleman IST stets gut manikürt, der Snob jedoch ZEIGT, dass er gut manikürt ist.“ Kann daraus geschlossen werden, dass die Bezeichnungen Dandy und Snob Beleidigungen sind?

Jeroen van Rooijen: Ja klar, mit „Dandy“ und „Snob“ möchten wir nicht angesprochen werden. Es sind Beleidigungen. Ein Dandy ist einer, der sich auf plakative Weise mit sich beschäftigt. Eine rein äußerliche Erscheinung und eine spielerische, eher von leichtem Charakter geprägte Person. Kurz gesagt, mit „Dandy“ meint man: Man gebe sich zu viel Mühe und sei zu auffällig. Wenn ein Dandy ein richtiger ungehobelter Klotz ist, dann ist er ein sogenannter Snob, ein Bastard ohne Nobilität, Charme, Witz und Augenmaß in seinem Verhalten.

Nun, ich bin etwas überrascht, dass „Dandy“ eine solch starke Beleidigung ist. George Bryan Brummel, bekannt als das unerreichte Vorbild der englischen Gesellschaft, wird schließlich als DER DANDY bezeichnet.

Jeroen van Rooijen: Beau Brummel war ein Megadandy! In seiner Zeit war er der best-angezogenste Mann in London. Ich persönlich habe ein gespaltenes Verhältnis zu ihm. Für viele Leute war er in seiner Zeit zu extrem, weil er Menschen provozierte, indem er Dinge veränderte. Durch seine andere Auffassung von Eleganz war er verhasst. Heutzutage würde man ihn als Punk bezeichnen.

Im Buch „The English Gentleman“ von Douglas Sutherland wird der Gentleman als außerordentlich langweilige Person beschrieben. Was sagen Sie dazu?

Jeroen van Rooijen: Dieses kleine Buch auf Englisch hat mir ein guter Freund empfohlen. Ich stimme Douglas Sutherland zu. Potenziell gesehen ist diese Figur langweilig. Vor allem, wenn ein Mann gemäß diesen Hilfsbüchern versucht ein Gentleman zu sein. Er würde aussehen, als ob er eben aus einem Kostümfilm der 40er Jahre entflohen ist. Der originelle, interessante Gentleman ist der zeitgenössische. Hierzu gehören rasch neue Themen wie: Was tun, wenn mein Handy während eines Gesprächs klingelt? Das Magazin „Fantastic Man“ befasst sich mit dem modernen Gentleman. Ich versuche eine Mischung von einem Working-Man-Stil aus den 40er Jahren und dem modernen urbanen Typ hervorzubringen. Alte Kappen und Kleider können des Öfteren lustig sein, doch die eigene Individualität sollte dabei nicht verloren gehen.

Ein bewusster Bruch im Äußerlichen gäbe eine Auflockerung mit einer Irritation in seinem Wesen. Was sagen Sie dazu?

Jeroen van Rooijen: Ja genau, zum Beispiel bewusst Turnschuhe mit einer Krawatte kombinieren. Dadurch gewinnen Turnschuhe ein ganz anderes Ansehen. Bezüglich des Benehmens sollte man vorsichtig sein. Es kann wunderbar gentlemanlike geflucht werden! Durch das Fluchen bin ich kürzlich in ein nettes Gespräch gekommen. Ich sagte einer Person: „Fahren Sie zur Höll“, wonach mich die Person verwirrt anschaute und bat, den Satz nochmals zu repetieren. Demgemäß bildete sich ein charmantes Gespräch. Der beste Fluch ist bei einem Westernfilm entstanden: „Der Blitz soll dich beim Scheißen treffen.“ Gentlemanlike< wäre es: „Der Blitz soll dich auf dem Klo treffen.

Nun, eine klassische Frage: Welches sind die häufigsten Fauxpas eines Gentleman?

Jeroen van Rooijen: Rücksichtslosigkeit. In unserer Gesellschaft schauen praktisch alle nur auf sich. Es fängt mit einfachen Dingen an, wie die Türe offen zu halten. Dies geht hin bis zu aufdringlichen Klingeltönen in der Öffentlichkeit. Hier dringt man unbewusst offensiv ins Leben anderer Menschen ein. Mein Ideal für ein Zusammenleben ist: Versuche dein Leben so gut und glamourös wie möglich zu führen. Natürlich nicht zum Nachteil von anderen Menschen. Das Rücksichtnehmen scheint aus der Mode zu sein. Sportwagen zum Beispiel sind non-gentlemanlike! Ein Gentleman würde nie in einen vulgären Maserati oder Ferrari einsteigen.

Könnte der Gentleman im Rahmen der Gleichberechtigung überflüssig werden?

Jeroen van Rooijen: Nein. Tatsache ist: Sobald ein Mann eine Dame auf Händen trägt, genießt sie dies. Die Lösung ohne Gentlemen‘s behaviour wäre Rücksichtslosigkeit und Egoismus. Diese könnten niemals die Grundlagen der Gesellschaft werden. Die Lebensprinzipien des Gentleman sind auch für die Dame bestimmend, die Gentlewoman. Großzügigkeit, Intelligenz, emotionales Verhalten, Stil und Eleganz werden nie verloren gehen.

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Kommentare (8)

  1. Oliver S.
    Mrz 15, 2014

    Einen schönen Satz habe ich gelesen:

    Ars Vivendi – das ist: Den schmalen Grat zwischen Umständen und Zustand zu beschreiten (Danke Robin).

    Ich möchte noch hinzufügen, dass man es dann auch verstehen wird, sich gut zu kleiden.

  2. Oliver S.
    Mrz 15, 2014

    Ach ja, und Timothy: Deine Turnschuhe sind nur dann peinlich, wenn Du Dich für sie schämst.
    Und Ottavio: Falls Du nur mit Fliege in den Porsche steigst, dann fahr eben den Käfer, wenn Du mit Kravatte unterwegs bist.
    Und Prendick: Bitte niemals mit dem Regenschirm in den Kellner stechen. Das tut man nicht. Verwende Deinen Spazierstock und stütz ihn elegant in die Hüfte, wenn Du dem Kellner mit Deinem naseweisen Zeigefinger ins Auge pieckst.

  3. Oliver S.
    Mrz 14, 2014

    Wie es scheint benötigen wir Entschuldigungen und Beispiele dafür, um aus dem Gentleman-Rahmen fallen zu dürfen. Ich frage: Wozu beschäftigt Ihr Euch mit dem Gentleman, wenn Ihr nach Wegen sucht, seine Wege zu umgehen? Wenn James Bond „aus der Rolle fällt“, dann unterstreicht das sein ansonsten tadelloses Wesen, denn die Ausnahme bestätigt seine Art. Oder das Auto: Steig doch in einen Porsche und frag‘ bitte nicht erst, ob ein Gentleman das tun würde (man korrigiert auch nicht den sprachlichen Stil von Anderen, wenn sie das böse Wort „tun“ verwenden. Man geht davon aus, dass es sich um eine ironische Stilblüte handelt). Gentlemen unter sich unterstellen stets, dass es sich auch bei ihrem Gegenüber um einen Gentleman handelt. Eine bösartige Unterstellung anderer Arrt wäre wirklich nicht sehr manierlich. Und damit wären wir bei dem Wort, das im Deutschen den Gentleman begleitet: Manieren. Diese bestehen nicht in dem Drang, schlechte Manieren der Anderen bloßzustellen.

  4. Mrz 14, 2014

    Status und Kleidung wird immer unwichtiger, so denke ich. Charakter macht den Gentleman oder?

  5. Timothy N.
    Mrz 8, 2014

    Oh my goodness, trägt der gute Mann wirklich ein Jeans-Hemd?! Und ganz ehrlich, Turnschuhe zur Krawatte…?

  6. Ottavio di Francoccini, Rom
    Feb 20, 2014

    Würde ein Gentleman denn in einen klassischen Porsche 911 einsteigen?
    Das hätte ich Herrn van Rooijen gern gefragt.
    O.F.

  7. H.Prendick
    Feb 14, 2014

    Weiß er Mann überhaupt wovon er redet? „Gentleman-James- Bond“ Sean Connery geriet seinerzeits in die Kritik, als er bei seinem Debute einem auf dem Boden liegenden Mann in der Rücken schoss, oder im nächsten Film Robert Shaw im Nahkampf einen Finger ins Auge rammte. Der Kommentar von Produzent Albert Broccolli: James Bond ist nicht immer ein Gentleman“.
    Doch wie sagte es schon der Snob und Schriftsteller Sommerset Maugham: „Gerade Frauen erwarten von einem Gentleman, dass er sich nicht immer wie einer benimmt“ – wobei Maugham offen lässt, ob er damit den ersten Schritt meint oder den frechen Kellner, den der Gentleman mit einem Regenschirm in die Grenzen weisen sollte.

  8. Robin J.
    Feb 14, 2014

    Ein äußerst schöner Artikel.
    Ich finde es wichtig, zu markieren, dass es nicht relevant ist, aus welcher Schicht man kommt, welche Grundvorraussetzung man hat, sondern wie man seine Charakterbildung (auch im philosophischen Sinne) voran treibt.
    Mir persönlich liegt es zwar auch am Herzen mich schick oder eher ästhetisch zu kleiden, aber das ist nunmal nicht immer und nicht jedem möglich. Den schmalen Grad zwischen Umständen und Zustand zu finden, das halte ich für eine der höchsten Künste.

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