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Fashionshows – Auf dem Rummelplatz der Eitelkeiten

Fashionshows – Auf dem Rummelplatz der Eitelkeiten

Eine Modenschau mit über 2000 Gästen im Herzen Berlins. Gentleman-Blog Autor Nicolas von Lettow-Vorbeck war mittendrin, doch betrachtete er das Spektakel mit einem distanzierten Blick. Lesen Sie hier seinen kritischen Erlebnisbericht über Eitelkeiten, Oberflächlichkeit, C-Promis und Kleinkunst.

In der Warteschlange des Lebens

Die oberste Etage eines Luxushotels mitten in Berlin. Schick angezogene Menschen stehen in langen Reihen und warten auf Einlass. Direkt hinter diesem Kontrollpunkt beginnt der rote Teppich, eine Farbe, die für eine gewisse Klientel die Welt bedeutet. Wer wichtig ist oder sich selbst für wichtig hält, stolziert gemächlich über dieses rote Stück Stoff. Eine Meute von Fotografen wartet schon und ist bereit, jede kleinste Geste der “Promis“ schreiend vor Begeisterung zu kommentieren. Geht jedoch ein Unbekannter über das rote Textil, wird er schlichtweg ignoriert. Wer nicht zumindest einen Dschungelcamp- oder Superstar-Auftritt vorweisen kann, der ist an diesem Abend unsichtbar.

Disziplin wie in eine Gruppe Viertklässler

Professionell gut gelaunt stehen nun kleine Grüppchen in der riesigen Glashalle. Man hält sich an einem kleinen Sektglas fest und sichtet alte und neue Bekannte. Alle sind sie heute gekommen, um die Fashion Show mehrerer aufstrebender Berliner Designer zu sehen. Und um sich selbst feiern und sehen zu lassen. Wie eine Gruppe von Viertklässlern auf Klassenfahrt beginnt sich die Abendgesellschaft nun gemächlich und schwatzend auf die Klappstühle entlang des Catwalks zu verteilen. Ein exzentrischer junger Modeschöpfer, Ausrichter des heutigen Abends, betritt die Bühne und bittet nochmals um Ruhe, doch die zahlreichen Privatgespräche wollen nicht vollständig verstummen. Zwangsläufig ersterben die Stimmen dann aber doch unter den lauten Bässen der einsetzenden Techno-Musik. Affektiert traben Gazellenartige androgyne Vertreter beiderlei Geschlechts über den Laufsteg. Das Publikum stiftet pflichtschuldig Applaus. Doch die meisten sind gar nicht richtig bei der Sache, wie die Dunkelheit des Saals schonungslos verrät, denn in fast jedem Schoß leuchten die hellen Bildschirme der Smartphones auf.

K(l)einkunst

Die Modeshow soll derweil durch künstlerische Einlagen aufgelockert werden. Dazu betritt ein durch Casting-Shows bekannt gewordener Sänger die Bühne. Die Akustik ist lausig, die Stimme wirkt dünn und fast komisch. Das Publikum quittiert diesen offensichtlichen Fauxpas mit Häme. Der Sänger macht tapfer weiter und intoniert die Girls von Ipanema. Noch während des Auftritts wird fröhlich weitergeschnattert. Nach der Darbietung müder Applaus, für alle hörbar fragt einer: „Was war denn das bitte?“ Der Gazellenlauf auf dem Catwalk geht weiter, ein aus einer Daily Soap bekannter Schauspieler ist auch dabei. Zahlreiche Menschen erheben sich, um ihn besser sehen zu können, Fotoblitze durchzucken den Saal. Die Modenschau erreicht ihren Höhepunkt, und auch die Musik schwillt nun zu bisher unbekannten Höhen an. Der Rhythmus scheint einigen Zuschauern ins Blut zu gehen. Eine Mittfünfzigerin bewegt sich passend zur Musik auf ihrem Klappstuhl hin und her und führt damit eine neuartige Art von Sitztanz auf. Heute Abend ist alles möglich und jeder so jung, wie er sich fühlt.

Die Oberfläche glitzert

Nach der Modenschau springen alle von ihren Stühlen auf. Die Zuschauer entfernen sich in die angrenzende Bar (Getränke sind kostenpflichtig, warme Würstchen nicht). Die Models, die eben noch emotionslos auf der Bühne standen, bewegen sich nun lasziv zum dem Hit “Rhythm is a Dancer“ aus den Neunzigern. Im Fluss der Bewegungen ihrer Körper schreien sie heraus: Wir sind jung und schön, wir sind Jetzt. Zögernd betreten auch andere, weniger junge und wohlgeformte Gäste der Fashion Show die Tanzbühne. Nur ein paar beleibte Männer bleiben in den tiefroten Ledersesseln hängen, wahrscheinlich sind sie die Finanziers des heutigen Abends. Versuche, mit Menschen in ein Gespräch zu kommen, das über Small Talk hinaus geht, laufen in Leere. Mehr als Allgemeinplätze scheinen heute Abend nicht gefragt zu sein. Eine Dame schreit: „Freut mich Sie kennenzulernen“, und wendet sich sofort ab, ehe wir nur ein weiteres Wort gewechselt haben. Die Oberfläche glitzert und schimmert, doch was steckt wirklich hinter diesen Menschen? Heute Abend wird dies niemand ergründen können, denn hier wird der Moment zelebriert, die Jugend, die Schönheit, die Mode. Ein zwei Meter großer Transvestit vollführt nun mit einer geschätzt 75-jährigen Dame eine Art Polonaise.

Was bleibt?

Mein Fazit: Es war ein unterhaltsamer Abend mit viel Show, einer Prise Glamour und einem ordentlichen Schuss Exzess. Doch was bleibt im Rückblick wirklich Substanzielles von dieser Veranstaltung übrig? Ich denke kurz nach, komme auf ein ernüchterndes Ergebnis und beschließe nach Hause zu gehen, meine letzte Bahn fährt in fünf Minuten.

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Ein Kommentar

  1. RK
    Jul 8, 2013

    Ein interessanter Bericht und sehr gut geschrieben. Besten Dank.

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