Über Kampfsport & Kommunikation – Karatelehrer Oliver Dreber im Interview
Kampfkunst und Kommunikation sind zwei völlig verschiedene Dinge, möchte man meinen. Doch in einer hitzigen Debatte mit Nachbarn, Kollegen oder auch dem Chef trifft uns eine verbale Ohrfeige mitunter heftiger als man auf Anhieb vermuten würde. Patrizia Becker hat für den Gentleman-Blog mit dem ausgebildeten Trainer für Selbstverteidigung und Gewaltprävention Oliver Dreber gesprochen und ihn nach dem richtigen Umgang bei verbalen Attacken sowie einem erfolgreichen Konfliktmanagement befragt.
Der Gentleman-Blog im Interview mit Oliver Dreber
Oliver Dreber ist diplomierter Ökonom und arbeitet seit Jahren in leitenden Marketing- und Vertriebspositionen. Seine wahre Leidenschaft gilt jedoch der Kampfkunst im Allgemeinen und dem körperlichen Erleben von Kommunikation im Speziellen. Ausgebildet von dem deutschen Bundestrainer für Kata Efthimios Karamitsos, ist Oliver Dreber mittlerweile Geschäftsführer von Hara Do, einem Institut für Kampf und Kommunikation in Frankfurt.
Herr Dreber, wie behaupte ich mich in einer aggressiven Konfrontation?
Sprechen wir mal von einer Situation, wo Person A mit Person B um die Durchsetzung der jeweils eigenen Position kämpft, und zwar ausschließlich auf der verbalen Ebene. Hier entsteht ein Energie-Raum, wenn sich die beiden gegenüberstehen und miteinander kommunizieren. Konkret geht es darum, den Tipping Point zu steuern. Also den Punkt, an dem die Auseinandersetzung kippt und der Angegriffene die verbale Ohrfeige ohne eine Reaktion einsteckt. Wichtig ist, dass die aggressive Energie bei einem solchen Streitgespräch erst einmal verpuffen kann. Dazu sollte man Zeit gewinnen, zum Beispiel durch Gegenfragen. Einfach und geradeheraus. Stellen Sie gerne auch unsinnig wirkende Gegenfragen wie: Herr Müller haben Sie das wirklich gerade gesagt? Habe ich Sie da eben richtig verstanden? Das verschafft Ihnen wiederum ein paar Sekunden, in denen Sie über das Gesagte nachdenken können.
Also unterfliege ich das Radar meines Angreifers mit einer gezielten Verzögerungsstrategie?
Ja genau! Wenn ich keinen Raum in einer solchen Auseinandersetzung gewinne, und damit meine ich Zeit, dann läuft letztlich alles auf das limbische System hinaus. Also, unsere natürlichen Urinstinkte, die da wären Freeze, Flight oder Fight, sprich Einfrieren beziehungsweise Stagnation, Flucht oder Kampf. Ich muss also sehr schnell entscheiden, ob der Angriff relevant oder irrelevant ist. Ganz wichtig ist hierbei die Frage der persönlichen Haltung. Wie stehe ich dem Gesagten gegenüber? Wie ist meine Haltung zu mir selbst? Meine innere Haltung spiegelt sich dann sofort in der Körpersprache wider.
Die Körpersprache ist ja ein Klassiker bei Fragen der Souveränität. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Der Körper gibt die Antwort auf verbale Angriffe. Und zwar oft schon, bevor der erste Satz den Mund des Angegriffenen verlassen hat. Wenn die Person immer wieder zu Boden schaut oder den Kopf mit gesenktem Blick geneigt hält, signalisiert der Körper unserem Gegenüber unmissverständlich: Ich bin hier das Opfer. Das ist für die Durchsetzung der eigenen Interessen natürlich tödlich. Denn dann ist das Gespräch schon aus dem Ruder geraten. Neben den angesprochenen Gegenfragen und der inneren Haltung ist es genauso wichtig, auch äußerlich eine entsprechende Haltung einzunehmen. Der direkte Blickkontakt und eine aufrechte Körperhaltung sind die Basis, um dem Angreifer im Gespräch die Stirn zu bieten. Je nach Qualität und Intensität des verbalen Angriffes muss ich zuletzt aber auch gewillt sein, auf den Angriff zu antworten. Und zwar oft auch in gleicher Weise. Weiche ich der Konfrontation dagegen aus, werde ich zum Opfer. Das gilt umso mehr, wenn aus der verbalen Attacke ein körperlicher Übergriff wird.
Wenn mir im Konflikt also der Mut versagt, sabotiere ich mich selbst?
Richtig. Es geht immer wieder um die Frage der inneren und äußeren Haltung. Die Situation muss augenblicklich erfasst werden und ich muss einordnen können, ob ich die verbale Attacke von Herrn Müller jetzt nicht ernst nehme und einfach übergehen kann oder ob sie einen direkten Angriff auf meine Integrität darstellt. Kann ich das nicht einschätzen und nehme ich auch keine entsprechende Haltung ein, dann werde ich in dem Konflikt zwangsläufig unterliegen.
Wie vermeide ich also eine solche Niederlage?
Haben Sie erst einmal die Situation eingeschätzt und sich etwas Raum verschafft, gibt es viele Dinge, die sie nun einsetzen können. Für eine selbstbewusste Körperhaltung können Sie mit Stand, Gang, Mimik, Gestik und Stimme arbeiten. In der Kampfkunst setzt zum Beispiel ein Kampfschrei immer auch mentale und körperliche Energie frei. Eine feste, klare und laute Stimme kann Sie über die nächsten Momente hinweg tragen und verschafft Ihnen die nötige Zeit.
Sie empfehlen also einen Kampfschrei bei einer Auseinandersetzung? Auch mitten im Büro?
Nein. (Herr Dreber lacht.) Unsere Stimme ist einfach nur ein sehr starkes, körperliches Instrument, mit dem ich gerade im Konflikt sehr gut arbeiten kann. Letztlich geht es natürlich um eine vernünftige Einschätzung der Situation. Aber es geht eben auch um die Bereitschaft, sich selbst verbal zu verteidigen. Hierzu gehört die schnelle und richtige Einschätzung des gesamten Konfliktumfeldes. Und dazu sollte ich wissen, welchen Standpunkt ich vertrete. Das ist wiederum eine reine Haltungssache.
Herr Dreber, haben Sie herzlichen Dank für Ihre Tipps!
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Über die Autorin
Patrizia Becker von „Erfolg mit Stil“ berät Unternehmen und Entscheider mit psychologischem Fingerspitzengefühl in Sachen Auftritt und Kundengewinnung. Ihre Passion: Die Optimierung erfolgskritischer Abläufe und strategischer Hotspots. Im Gentleman-Blog schreibt sie über Motivation, Selbstverwirklichung und Krisenmanagement.
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